Nicht alle Kassen fordern Zusatzbeiträge. Lohnt sich ein Wechsel? Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ruft jetzt dazu auf.

Hamburg. Sieben von 169 Krankenkassen fordern demnächst monatliche Zusatzbeiträge. Und der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) fordert zum munteren Kassenwechseln auf: "Jetzt schon haben genügend Krankenkassen angekündigt, in diesem Jahr keinen Zusatzbeitrag zu nehmen. Also lohnt sich ein solcher Wechsel in jedem Fall", sagte Rösler gestern. Die Kassen seien zum Sparen verpflichtet, bevor sie Zusatzbeiträge nehmen. "Die Aufsichtsbehörden sind angehalten, genau dies zu prüfen."

Das tut das Bundesversicherungsamt. Doch mehr als sieben Anträge liegen nicht vor, wie eine Sprecherin dem Abendblatt sagte. Allerdings wird in Kassenkreisen damit gerechnet, dass bis zur Jahreshälfte etwa 30 und bis Ende 2010 womöglich 80 bis 100 Kassen einen Extrabeitrag fordern. "Vom Finanzbedarf her müssten alle Kassen Zusatzbeiträge erheben", sagte ein Kassenmanager dem Abendblatt. Denn etwa vier Milliarden Euro fehlen im Gesundheitsfonds. Die Ausgaben von etwa 167 Milliarden Euro sind längst nicht gedeckt. Zusatzbeiträge erheben zunächst die DAK, die KKH-Allianz, die Deutsche BKK, die BKK Gesundheit, weitere Betriebskrankenkassen und vermutlich die AOK Schleswig-Holstein.

Während die meisten Kassen zunächst acht Euro im Monat verlangen, will die BKK Heilberufe von ihren 170 000 Mitgliedern ein Prozent des Einkommens verlangen. Das ist die gesetzliche Höchstgrenze. Somit müsste 30 Euro extra zahlen, wer 3000 Euro im Monat verdient. Der höchstmögliche Zusatzbeitrag sind in diesem Modell 37,50 Euro. Für Studenten und Geringverdiener wäre es günstiger.

Dass vor allem die Betriebskrankenkassen (BKK) betroffen sind, liegt auch an der erzwungenen Umstellung von den unterschiedlichen Kassenbeiträgen auf den Einheitsbeitrag von jetzt 14,9 Prozent vom Monatsbrutto für die Gesundheit. Von 155 Betriebskrankenkassen im Januar 2009 sind nur noch 130 übrig.

Aus purer Angst vor Zusatzbeiträgen ist der Rest unter das Dach einer größeren Kasse geschlüpft. Die Fusionswelle werde weitergehen, sagte Christine Richter vom BKK Bundesverband. Das Argument des unwirtschaftlichen Kassenmanagements lässt sie nicht gelten: "Auch die Kassen, die Zusatzbeiträge erheben, haben niedrige Verwaltungskosten."

Dennoch sind wenige sogar in der Lage, Prämien auszuschütten. Vollmundig versprechen die BKK Alp Plus, die HKK und die BKK G&V, dass sie 2010 bis zu 70 Euro an Mitglieder auszahlen.

"Für Leute mit wenig Geld ist der Wechsel zu einer Kasse ohne Zusatzbeiträge sinnvoll", sagte Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg. Ansonsten rät er zum Abwägen: Eine größere Zahl an Mitarbeitern in der Verwaltung könne auch bedeuten, dass eine Kasse einen besonders guten Service hat. Vielen Patienten sei wichtig, nicht lange bei den Hotlines auf ihre Berater zu warten.

Die Kostenschraube werden die Kassen radikal zurückdrehen. Ihre Ausgaben für Medikamente sind trotz aller Spargesetze 2009 um 5,9 Prozent auf 27,3 Milliarden Euro gestiegen, erklärten die Apothekerverbände.

Der Vorstandschef der KKH-Allianz, Ingo Kailuweit, sagte: "Im gesamten Pharmamarkt verzeichnet die KKH-Allianz einen Kostenanstieg um 7,2 Prozent je Versicherten. Es kann nicht sein, dass die Versicherten immer mehr belastet werden, während Pharmaunternehmen ihre Gewinne maximieren." Auch die Ärzte müssten sich auf Nullrunden einstellen.