Der Saarländer spricht über weitere Erkrankungen und äußert sich kritisch über seine Partei im Westen. Den Ehrenvorsitz würde er ablehnen.

Hamburg. Oskar Lafontaine hat sein untrügliches Gespür für wichtige Worte zum richtigen Zeitpunkt nicht verloren. In den Tagen, als die Linke nach seinem Rückzug von der Parteispitze sich sammelte und in einem Hauruck-Verfahren eine neue Führung suchte, da nahm sich Lafontaine in seinem Landtagsbüro in Saarbrücken die Zeit für ein ausgeruhtes Gespräch mit dem "Stern". Es ist Lafontaines erster Auftritt als neue graue Eminenz seiner Partei: nachdenklich, mahnend, zurückblickend auf sein politisches Vermächtnis.

Aber es ist auch ein Signal an all diejenigen, die seinen Rückzug als Parteichef als Abschied von der Bundespolitik missverstehen könnten. Intensiv beschäftigt Lafontaine sich in dem Interview mit der Zukunft der Linkspartei und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er weiterhin in der Bundespolitik mitmischen will.

So kommt auch ein Amt wie der Ehrenvorsitz bei der Linken für ihn nicht infrage, wie er betont. "Das wäre zu viel der Ehre für mich", sagt er, auch wissend, dass sich Ehrenvorsitzende üblicherweise nicht mehr in die Tagespolitik einmischen. Der Noch-Vorsitzende ist vielmehr bemüht, den Befürchtungen entgegenzuwirken, die Linke könne ohne ihn an der Spitze zerbrechen. "Es gab in der SPD solche Diskussionen nach Willy Brandt und bei den Grünen nach Joschka Fischer. Es ist keine Koketterie, wenn ich sage: Für die Linke sehe ich das auch nicht so dramatisch." Die Grünen stünden ohne Fischer heute besser da als zuvor.

In dem Interview bestätigt Lafontaine, dass ihm im November die Prostata entfernt wurde und sein alltägliches Leben dadurch beeinträchtigt sei. Das halte sich jedoch im Rahmen. "Ich kann ohne Probleme noch Reden halten oder Sitzungen durchstehen", versichert der 66-Jährige. Nun müsse "in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, ob da etwas geblieben ist oder nicht". Das werde zum ersten Mal im Februar geschehen. Anfang 2009 habe er außerdem "Probleme mit dem Herzen" gehabt. Seit September leide er zudem an einer Virusinfektion der Atemwege, die er bis jetzt nicht in den Griff bekommen habe.

Die Krebserkrankung sei allerdings der entscheidende Grund gewesen, nicht erneut für den Bundesvorsitz kandidieren zu wollen. "Gäbe es sie nicht, gäbe es auch keinen Rückzug", so Lafontaine über seine Krankheit. Er wolle jetzt "gesund werden leben".

Trotz der eigenen Beschwerden sorgt sich Lafontaine sehr um seine noch junge Partei. Als größte Schwäche der Linken bezeichnet Lafontaine, "dass sie im Westen noch nicht stabil genug ist". Hier sei noch Aufbauarbeit zu leisten. Seine Partei werde auch in Zukunft gute Wahlergebnisse erzielen, wenn sie die Strategie verfolge, "die ihr bisher zum Erfolg verholfen hat".

Dass Lafontaine selbst weiter als Aufbauhelfer und Erfolgsgarant seiner Partei eine zentrale Figur bleiben soll, wünscht sich auch Mecklenburg-Vorpommerns Linken-Fraktionschef Helmut Holter. Der frühere Arbeitsminister und Vize-Regierungschef zieht 2011 als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf und will für die Linkspartei ihr erster Ministerpräsident überhaupt werden. Um das zu schaffen, setzt er schon jetzt auf Lafontaines Strahlkraft. "Natürlich werde ich Oskar Lafontaine bitten, in meinem Wahlkampf aufzutreten", sagt Holter dem Abendblatt. "Wir brauchen ihn und seinen Rat."

Zwar sieht Holter in dem für den neuen Parteivorstand vorgeschlagenen Ost-West-Duo aus Gesine Lötzsch und Klaus Ernst einen "tragfähigen Kompromiss, um endlich von den Personaldebatten wegzukommen - hin zu Inhalten". Doch Holter hofft auf den scheidenden Chef aus dem Saarland. "Wir brauchen Oskar Lafontaine als politisches Schwergewicht. Und ich bitte ihn, auch zukünftig für unsere Partei diese Rolle wahrzunehmen."