Nach zehn Jahren ist er wieder in Deutschland: Ex-Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber kommt vor Gericht. Jetzt bangen deutsche Top-Politiker wegen brisanter Enthüllungen.

Toronto/München/Hamburg. Zehn Jahre dauerte sein erbitterter Kampf gegen die Auslieferung nach Deutschland. Jetzt hat Kanada den früheren Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber (75) abgeschoben. Im 9.22 Uhr landete er mit einer Maschine der Air Canada auf dem Münchener Flughafen. Der Flughafen heißt ausgerechnet so wie Schreibers ehemaliger Freund Franz Josef Strauß. Schreiber, schillernder Drahtzieher der Rüstungsindustrie, soll in die Justizvollzugsanstalt Augsburg gebracht werden. Das sagte ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums. Das Verfahren gegen ihn wird am Dienstag eröffnet.

Müssen nun Exkanzler Helmut Kohl, ehemalige CDU-Topleute und frühere oder sogar amtierende Minister zittern? Schreiber hatte die Union mit Spendengeldern bedacht und war eng mit der Familie des früheren CSU-Chefs Franz Josef Strauß verbandelt. Schreiber gilt als Schlüsselfigur in der CDU-Parteispendenaffäre und soll in Deutschland wegen Bestechung und Steuerhinterziehung vor Gericht gestellt werden.

Ein kanadisches Berufungsgericht hatte eine einstweilige Verfügung zum Aufschub der Auslieferung abgelehnt. Justizminister Rob Nicheloson erklärte, Schreiber sei auf Grundlage einer 2004 ausgestellten Auslieferungsanordnung den deutschen Behörden überstellt worden. Die Richterin am Berufungsgericht, Barbara Ann Conway, sagte, Schreiber habe seit Jahren gegen seine Auslieferung gekämpft. „Er ist nun am Ende dieses Weges.“ Schreiber, der die kanadische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, war 1999 aufgrund eines deutschen Auslieferungsersuchens in Kanada festgenommen worden.

Laut Augsburger Staatsanwaltschaft hatte er von Thyssen für mehrere Rüstungsprojekte rund 15 Millionen Euro kassiert. Seit Mitte der achtziger Jahre bis 1995 soll er mit Hilfe ausländischer Tarnfirmen Geld über Schweizer Nummernkonten an Industrielle und Politiker verteilt haben. Eine Millionenspende überreichte er laut Staatsanwaltschaft in einem Koffer dem früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep. Der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Holger Pfahls hatte von Schreiber 3,8 Millionen Mark Schmiergeld für Hilfe beim Verkauf von Fuchs-Panzern nach Saudi-Arabien angenommen.

Der 75-Jährige hatte seine Abschiebung am Sonntag nochmals in letzter Minute verhindern wollen. Auf seinen Antrag hin kam es zu einer außerplanmäßigen Anhörung vor dem Berufungsgericht in Toronto, nachdem am Freitagnachmittag Vertreter des Justizministeriums zu ihm gekommen waren. Diese gaben ihm bis Sonntag Zeit, sich in Auslieferungshaft zu begeben, wie Schreiber in einem bei Gericht verlesenen Brief an den kanadischen Ministerpräsidenten Stephen Harper geschrieben hatte.

Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts kam Schreiber in Auslieferungshaft. Bei der Ankunft am Gefängnis in Toronto bezeichnete er die Vorwürfe gegen ihn und seine Auslieferung als politisch motiviert. „In Deutschland sind im September Wahlen“, sagte er. Die Sozialdemokraten hätten mit seinem Fall bereits drei Wahlen gewonnen. Seine Rückkehr nach Deutschland „würde Riesenzirkus sowie eine Untersuchung auslösen und Kanzler Kohl und alle wären dabei“, sagte Schreiber. Die Absicht hinter all dem sei es, die nächste Wahl zu gewinnen.

Eine Kopie des Briefs an Harper hat Schreiber laut dem Berliner „Tagesspiegel“ auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschickt. Darin äußert er demnach die Befürchtung, dass ihm in Deutschland kein fairer Prozess bevorsteht, sondern ein politisches Verfahren. Eine kanadische Untersuchungskommission will bis Ende dieses Jahres ihren Bericht über die Korruptionsvorwürfe gegen den früheren Ministerpräsidenten Brian Mulroney vorlegen. Bis dahin wollte die Regierung Schreiber eigentlich nicht ausliefern. Die öffentlichen Anhörungen zu dem Fall waren am Dienstag jedoch zu Ende gegangen.

Mulroney, Regierungschef von 1983 bis 1993, hat zugegeben, 225 000 kanadische Dollar von Schreiber angenommen zu haben; seiner Darstellung zufolge allerdings erst nach dem Ausscheiden aus dem Amt.