Ankara. Es ist ein weiter Weg aus den bayerischen Bergen nach Ankara. Dennoch wurde das Geschehen in Wildbad Kreuth, wo die CSU auf ihrer Klausurtagung den Abbruch der Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei gefordert hatte, in der türkischen Hauptstadt aufmerksam registriert. Die Zeitungen berichteten ausführlich über den neuerlichen Vorstoß der kleinsten deutschen Regierungspartei, die EU zum exklusiv christlichen Klub zu erklären.

Die Dienstreise von Außenminister Guido Westerwelle, der am Mittwochabend zu einem zweitägigen Besuch in der Türkei eingetroffen war, hatte damit ihr erstes Thema. Der FDP-Chef nutzte seine Gespräche mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminister Ahmet Davutoglu sowie eine Rede vor der türkischen Botschafterkonferenz für eine Klarstellung. Westerwelle sagte Ankara die Unterstützung der Bundesregierung für die Fortsetzung des Beitrittsprozesses zu. Um jeden Zweifel auszuräumen, was denn nun gelte - seine Versicherung oder die Haltung der CSU -, ergänzte Westerwelle: "Ich bin hier nicht als Tourist in kurzen Hosen unterwegs, sondern als deutscher Außenminister. Das, was ich sage, zählt." Er stehe dafür ein, dass die Formulierungen des Koalitionsvertrags für die gesamte Bundesregierung Gültigkeit hätten.

In diesem Papier hatten sich Union und FDP auf die Formel geeinigt, dass es eine ergebnisoffene Prüfung der Beitrittsabsichten der Türkei geben soll. Ausdrücklich heißt es aber auch, dass es keinen Automatismus für eine Aufnahme gebe. Westerwelle lobte denn auch die bisherigen Reformbemühungen von Regierung, Parlament und türkischer Zivilgesellschaft, verlangte aber weitere Fortschritte bei Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit. Er traf sich auch mit kurdischen Oppositionspolitikern und forderte von der Regierung die Fortsetzung der "demokratischen Öffnung".

Unterstützung aus der Heimat erhielt Westerwelle vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU): "Im Koalitionsvertrag heißt es: 'Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen zur Türkei und an einer Anbindung des Landes an die Europäische Union. Die 2005 mit dem Ziel des Beitritts aufgenommenen Verhandlungen sind ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt. Ich sehe, dass der Bundesaußenminister den Türken die deutsche Haltung auf der Basis unseres Koalitionsvertrages erläutert hat. Nichts anderes hat Guido Westerwelle bei seinem Türkei-Besuch gesagt."

Der türkische Außenminister Davutoglu begrüßte, dass sein deutscher Kollege dem Grundsatz "Pacta sunt servanda", Verträge sind einzuhalten, treu bleibe. Er sicherte zu, dass die Türkei sämtliche Reformwünsche der EU erfüllen werde: "Alles, was dieser Prozess erfordert, werden wir tun." Die Beitrittsverhandlungen wurden 2005 eröffnet und verlaufen bislang schleppend. Beide Minister betonten, dass sie die deutsch-türkische Zusammenarbeit über das Thema EU hinaus ausbauen wollen. Mittels regelmäßiger Konsultationen soll eine gemeinsame Marschroute bei internationalen Konflikten wie in Afghanistan, im Iran, in Nahost oder im Jemen abgesteckt werden.