Impfstoffhersteller sollen die WHO und damit auch die deutsche Politik beeinflusst haben. Die so entstandenen Profite sind gewaltig.

Strassburg/Hamburg. Schwere Vorwürfe: Die Pharmakonzerne sollen die Weltgesundheitsorganisation WHO und damit auch die deutsche Politik beeinflusst haben, um Profit mit einem Impfstoff gegen die Schweinegrippe zu machen.

Die Kontroverse um die Massen-Impfungen gegen Schweinegrippe erreicht nun auch den Europarat. Wie ein Sprecher bestätigte, wollen Mitglieder der Parlamentarier-Versammlung Ende Januar Vertreter der Weltgesundheitsbehörde und der Pharma-Industrie anhören. Der Unterausschuss Gesundheit hat außerdem eine Dringlichkeitsdebatte beantragt.

Ziel sei es, eine Untersuchung zu den Hintergründen der von Deutschland und anderen Ländern beschlossenen Massenimpfungen zu erreichen, sagte der Vorsitzende des Unterausschusses, der ehemalige Flensburger SPD-Bundestagsabgeordnete und Arzt Wolfgang Wodarg. Er bekräftigte seine Überzeugung, dass Pharmakonzerne gezielt Wissenschaftler und die WHO beeinflusst haben, damit diese vor einer Pandemie warnten. Dies habe dazu geführt, dass viele Staaten Unsummen für überflüssige und ungenügend getestete Impfungen ausgaben. Den Pharmaunternehmen habe die angebliche Pandemie einen „Jackpot“ beschert.

Wodarg wirft der WHO zudem vor, nach dem Ausbruch der Vogelgrippe ihre Kriterien für die Ausrufung einer Pandemie geändert zu haben. Ausschlaggebend sei nun nicht mehr die Gefährlichkeit einer Erkrankung, sondern nur die Geschwindigkeit, mit der sich ein Virus ausbreitet. Dadurch sei Panik vor der Schweinegrippe geschürt worden, obwohl diese „erheblich harmloser ist als alle Grippewellen der Vorjahre“. Sie habe bisher „nicht mal ein Zehntel“ der bei saisonalen Grippen üblichen Todesfälle verursacht. Deutschland, Frankreich und andere Länder haben weit mehr Impfdosen bestellt, als sie tatsächlich benötigen. Die Bundesländer wollen die Hälfte der beim Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) georderten 50 Millionen Impfdosen gegen die Schweinegrippe stornieren.

„Mit der Hälfte des bestellten Impfstoffs haben wir nach den neuesten Empfehlungen genug Impfstoff, um 30 Prozent der Bevölkerung vor der Schweinegrippe zu schützen“, sagte die niedersächsische Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) vor Verhandlungen in Berlin.

Die Länder setzten auf die Kulanz des Herstellers, die überschüssigen Impfstoffe zu stornieren, fügte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz hinzu. Notwendig sei es, in der Bevölkerung auch in Zukunft die Akzeptanz für Vorsorgemaßnahmen gegen weitere Pandemien zu schaffen.

Die Bundesländer hatten Ende Juli 50 Millionen Impfdosen bei GSK bestellt. Da zum damaligen Zeitpunkt noch davon ausgegangen wurde, dass jede Person für einen vollständigen Schutz gegen die neue Grippe zwei Impfspritzen benötigt, war die Bestellung für rund 30 Prozent der Bevölkerung gedacht. Im Herbst war von den Behörden aufgrund neuer wissenschaftlicher Studien hingegen eine einmalige Impfung als ausreichend eingestuft worden. Die Impfstoffmenge deckt somit 60 Prozent der deutschen Bevölkerung ab. Die Impfbereitschaft ist aber wegen des eher milden Verlaufs der neuen Grippe weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Die reinen Produktkosten für die 50 Millionen Impfdosen, die bis Ende März vollständig geliefert sein sollten, belaufen sich nach Angaben eines Sprechers des niedersächsischen Ministeriums auf 416,5 Millionen Euro. Eine einzelne Impfdosis kostet 8,33 Euro brutto. Die Länder planen auch, überzählige Impfmittel an andere Staaten zu verkaufen. Die Ukraine hat bereits Interesse angemeldet. (AFP/rtr)