Die FDP hält am Steuerkurs fest, die Union hat Vorbehalte. Also alles wie gehabt am 69. Tag der schwarz-gelben Koalition?

Berlin. Es war der erste Termin der Kanzlerin nach der Weihnachtspause. Um elf Uhr bekam Angela Merkel gestern Besuch von den Sternsingern. In die bunten Gewänder der Heiligen Drei Könige gehüllt, brachten die Kinder fröhlich den Segen für das neue Jahr ins Kanzleramt.

Es war ein Termin, der nichts zu tun hatte mit den strittigen Steuersenkungen oder mit dem holprigen Regierungsstart der schwarz-gelben Koalition. Fast nichts. Denn natürlich wurden Merkels Worte von den politischen Beobachtern auf die Goldwaage gelegt. Vor allem die Antwort, die die Kanzlerin gab, nachdem sie von den Sternsingern um Unterstützung für Projekte in der Dritten Welt gebeten worden war - "schließlich haben Sie ja was zu sagen!". "In bestimmter Weise" stimme das, sagte Merkel da, "aber ich kann viel sagen, wenn nicht andere mitmachen und wenn wir nicht bestimmte Dinge auch gemeinsam unternehmen." Wer wollte, konnte das zumindest indirekt als Aufruf zu mehr Koalitionsdisziplin verstehen.

Die Unternehmung von Guido Westerwelle bestand gestern allerdings vor allem darin, festzustellen, dass er sich nicht beirren lasse. Der FDP-Vorsitzende gab sich angesichts der Kritik aus der Union am Steuerentlastungskurs seiner Partei unbeeindruckt: "Es ist die beste Kritik, die man sich als Regierungspartei wünschen kann, dass man uns dafür scharf angeht, dass wir das tun, was wir vor der Wahl versprochen haben." Westerwelle kündigte für das bevorstehende Dreikönigstreffen der FDP eine Grundsatzrede an. Die FDP, bekräftigte der Vizekanzler, sei entschlossen, eine "geistig-politische Wende" in Deutschland herbeizuführen die "vergessene Mitte" der Gesellschaft wieder zu stärken.

Während Unions-Fraktionsvize Michael Meister die Liberalen aufforderte, Finanzierungsvorschläge vorzulegen - "Es geht nicht, dass in einer Koalition die einen für Steuersenkungen zuständig sind und sich die anderen um die Haushaltssanierung kümmern sollen!" -, stellte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Steuerpläne erneut unter Finanzierungsvorbehalt. Ob die Steuerentlastungen das geplante Volumen von 24 Milliarden Euro haben würden, hänge vor allem von der Steuerschätzung im Mai ab, sagte der Sprecher des Ministers. Außerdem müssten die Schuldenbremse im Grundgesetz und der europäische Stabilitätspakt berücksichtigt werden. "In diesem Umfeld versuchen wir, die Ziele in dem Koalitionsvertrag nach bestem Wissen und Gewissen zu realisieren."

Es war der 69. Tag von Schwarz-Gelb. Aber wenn jemand ein Machtwort der Kanzlerin erwartet hatte, dann wurde er enttäuscht. Angela Merkel zog es auch gestern vor, zu dem seit Tagen anhaltenden Streit in der Koalition zu schweigen. Aus Sicht des Bonner Politologen Gerd Langguth war das kein Fehler. "Die Kanzlerin tut gut daran, nicht mit der Faust auf den Tisch zu hauen", sagte Langguth dem Hamburger Abendblatt. "Mit jeder Kritik an den Koalitionspartnern würde Angela Merkel jetzt nur kundtun, dass der schwarz-gelbe Laden schwer zu disziplinieren ist. Deshalb ist das Schweigen aus ihrer Sicht im Moment noch das kleinere Übel." Zumal man spätestens seit Gerhard Schröders berühmtem "Basta" zur Rentenpolitik wisse, dass Machtworte, die nicht erhört würden, nur die eigene Ohnmacht demonstrierten. "Aber", so Langguth, "wenn Mitte Januar die Sitzungswochen beginnen und das Ende der ersten hundert Tage in Sicht kommt, sollte die Kanzlerin die nächste Koalitionsrunde nutzen, die losgebrochene Kakophonie zu unterbinden." Grundsätzlich, so der Politologe, würde die Disziplin in den Regierungsparteien nur größer werden, wenn die Opposition stärker wäre und die Regierung stärker fordern würde. "Das ist zurzeit nicht absehbar. Abgesehen davon haben alle kleinen Koalitionen Ärger gemacht. Das war immer schon so."

Wenn Langguth recht hat, wird die Kanzlerin also vorerst weiter schweigen. Offizielle Termine hat Angela Merkel in dieser Woche ohnehin nicht mehr.