Der Führungswechsel bei den Sozialdemokraten hat seine Wirkung verfehlt. Die Wähler glauben nicht an den Neuanfang.

Berlin. Der neue Parteivorsitzende Sigmar Gabriel kann die Talfahrt seiner Partei nicht bremsen: In dem "Stern-RTL-Wahltrend", der in der Woche nach dem Dresdner Parteitag erhoben wurde, rutschten die Sozialdemokraten im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt auf 19 Prozent ab Es ist der schlechteste Wochenwert, den die Meinungsforscher je für die Partei gemessen haben. Und er ist sogar noch vier Punkte schlechter als die katastrophalen 23 Prozent, die die deutsche Sozialdemokratie bei der Bundestagswahl im September erschüttert haben.

Den Medien- und Politikberater Michael Spreng überrascht das nicht. "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", sagte Spreng dem Hamburger Abendblatt, "und so ist es mit Sigmar Gabriel auch." Die Abneigung gegenüber der SPD habe sich schließlich in zehn langen Jahren aufgebaut, da reiche es nicht, wenn einer schwungvolle Reden halte. "Die Leute sagen: 'Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.'" Es gebe in der SPD zu viele offene Fragen, so Spreng weiter. "Die Wähler wollen wissen, was aus der Agenda 2010 wird, aus der Rente mit 67, wie sich die SPD zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verhält und zur Linkspartei. Die Neuaufstellung an der Parteispitze war richtig, denn das alte Personal war verbraucht, aber neue Gesichter alleine reichen nicht."

Tatsächlich ist es Sigmar Gabriel trotz seiner umjubelten Antrittsrede auf dem Dresdner Parteitag Mitte November laut Forsa nicht gelungen, bei den Wählern zu punkten. Auf die Frage, wen sie direkt zum Kanzler wählen würden, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, entschieden sich nur 19 Prozent für Gabriel, 60 Prozent zogen Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) vor. Das bedeutet, dass Gabriel bei den Wählern deutlich schlechter abschneidet als sein Vorvorgänger Kurt Beck, der zu Beginn seiner Amtszeit im Mai 2006 immerhin auf eine Zustimmung von 25 Prozent kam. Hätten die Bürger hingegen die Wahl zwischen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel, würden sich nach der Umfrage ebenfalls 19 Prozent für den ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten, aber bei dieser Konstellation nur 57 Prozent für die CDU-Chefin entscheiden.

Forsa-Chef Manfred Güllner interpretiert das Umfrageergebnis im "Stern" so, dass Gabriel "für die Menschen noch keine Konturen" hat. Besonders müsse es den neuen Parteivorsitzenden alarmieren, dass sich lediglich 15 Prozent der 18- bis 29-Jährigen für ihn entscheiden würden. Die Zahlen aus der eigenen Parteianhängerschaft sind für Gabriel auch nicht gerade ermutigend: Stünde jetzt die Entscheidung über die Kanzlerschaft an, bekäme er nicht einmal mal die Stimmen jedes zweiten SPD-Wählers. Nur 46 Prozent würden den Niedersachsen wählen - 54 Prozent der SPD-Anhänger wünschen sich einen Kanzler, der Frank-Walter Steinmeier heißt.

Von der Schwäche einer SPD, die ihre Führungsspitze ausgetauscht, aber noch keine neuen Konzepte vorgelegt hat, profitieren die Grünen. Sie können sich in dieser Woche um einen Punkt auf 13 Prozent verbessern. Die Union legt um einen Punkt auf 37 Prozent zu, die FDP fällt um einen Punkt auf 12 Prozent. Ungeachtet der Spekulationen um die Zukunft des erkrankten Parteichefs Oskar Lafontaine würden sich wie in den Wochen zuvor 12 Prozent der Wähler für die Linke entscheiden.

Insgesamt befragte Forsa zwischen dem 16. und 20. November 2503 Wahlberechtigte.