Die Datenschutz-Partei und die Kanzlerin geben ungewohnte Einblicke. Angela Merkel fährt im Rheingold-Express, die Piraten im gläsernen Mobil.

Bonn. Politischer Durchblick, wohin das Auge sieht: So weit scheinen die Piraten und die Kanzlerin nicht auseinander. Rein zufällig am selben Tag des Bundestagswahlkampfes geht die Piratenpartei mit einem gläsernen Mobil und Angela Merkel (CDU) in einem gläsernen Aussichtswagen auf Deutschlandtour.

Die Piratenpartei, die bei der Europawahl überraschende Erfolge feierte, fährt mit einem PKW-Anhänger durchs Land, der zu einem gläsernen Wohnzimmer umgebaut wurde. Die Piraten wollen die Bürger vor der Bundestagswahl darüber aufklären, wie durchsichtig sie für den Staat durch eine „Datensammelwut“ und neue Überwachungsgesetze geworden sind. Die Piratenpartei kämpft für Informationsfreiheit und gegen Maßnahmen wie Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren.

Merkel hat in Anlehnung an Konrad Adenauers Wahlslogans („Keine Experimente“) vor „Experimenten“ nach der Bundestagswahl am 27. September gewarnt. Bei einer Kundgebung in Koblenz warnte auf ihrer eintägigen Wahlkampftour durch Deutschland vor unsicheren Mehrheiten. Deutschland müsse jetzt aus der Krise geführt werden. „Wir brauchen dafür stabile Verhältnisse. Wir können uns keine Experimente erlauben.“

Merkel startete am Dienstagmorgen ihre eintägige Zugreise im legendären „Rheingold Express“, der sie mit mehreren Zwischenhalten von Bonn nach Berlin bringen soll. Mit einem „Deutschland-Tag“ erinnern die Christdemokraten an den 60. Jahrestag des Amtsantritts von Konrad Adenauer. Merkel legte auf dem Waldfriedhof in Rhöndorf bei Bonn an Adenauers Grab einen Kranz nieder. Anschließend stattete sie dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn einen Besuch ab. Dort besichtigte die Kanzlerin unter anderem das Arbeitszimmer, in dem Adenauer seine ersten Amtsmonate verbrachte.

Nach Bonn Hauptbahnhof waren Zwischenstopps in Koblenz, Frankfurt/Main, Erfurt und Leipzig eingeplant. Am späten Abend wird im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses in Berlin eine Foto-Installation mit Motiven Adenauers präsentiert. Merkel wird von zahlreichen Spitzenpolitikern und Mitgliedern der Familie Adenauer begleitet. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat seine Teilnahme aus Termingründen abgesagt, wie eine CDU-Sprecherin erklärte. Für ihn wird CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt an der Reise teilnehmen.

Den „Rheingold-Express“ hatte Adenauer in den fünfziger Jahren für Wahlkampfreisen genutzt. Schon 1928 rollte der erste Luxus-Zug von Holland den Rhein hinunter in Richtung Schweiz. In den Wirtschaftswunderjahren erhielt der Zug als Attraktion einen verglasten Aussichtswagen. Auch SPD-Kanzler Willy Brandt tourte mit dem „Rheingold“ im Wahlkampf durch die Lande. Es war der erste Zug der Bundesbahn, der planmäßig mit Tempo 160 verkehrte. 1987 wurde der Zug ausgemustert. Seit dem Jahr 2000 kann er für nostalgische Bahnfahrten wieder gemietet werden.