Während Berlins Bürgermeister Wowereit eine Öffnung gegenüber der Linken fordert, warnt Steinmeier vor einem Linksruck der SPD.

Berlin. Trotz aller Geschlossenheitsappelle streitet die SPD-Spitze immer heftiger über den künftigen Kurs und das Verhältnis zur Linkspartei. Der designierte Vizevorsitzende Klaus Wowereit forderte, auf dem Parteitag im November das Koalitionsverbot mit der Linken auf Bundesebene zu kippen. Der Berliner Regierende Bürgermeister trat auch für eine Abschaffung der von der SPD mitgetragenen Rente ab 67 ein und forderte Änderungen an den Hartz-IV-Gesetzen. Damit schwang er sich zum Wortführer des linken Flügels auf und ging auf Konfrontation zum neuen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der diese Reformen maßgeblich mit verantwortet hatte. Steinmeier warnte vor einem Linksruck. Auch die designierte Parteivize Hannelore Kraft lehnte eine radikale Umkehr ab. Wowereit sagte mit Blick auf den bisherigen Ausschluss rot-roter Bundeskoalitionen im „Tagesspiegel am Sonntag“: „Dieses Tabu muss weg. Es schadet der SPD erheblich.“

Steinmeier warnte davor, nur noch die Interessen eines Teils der Gesellschaft zu vertreten. Dann sinke die SPD ab zur Klientelpartei, schrieb der bisherige Außenminister in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“. „Die SPD muss Volkspartei bleiben.“ Er verwies darauf, dass die SPD bei der Bundestagswahl fast 1,4 Millionen Wähler an Union und FDP verloren hat. Nun sei es wichtig, sich als Partei zu profilieren, die die Spaltung der Gesellschaft in Resignierte und Abgehängte, in Protestwähler und zynische Egoisten des individuellen Erfolgs verhindere.

Steinmeier war zum neuen Fraktionschef gewählt worden, nachdem die SPD bei der Bundestagswahl vor einer Woche auf 23 Prozent abgestürzt und nach elf Regierungsjahren wieder in der Opposition gelandet war. Beim Parteitag im November soll der bisherige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel Franz Müntefering als Parteichef ablösen. Die Parteilinke Andrea Nahles ist als Generalsekretärin vorgesehen. Künftig soll es vier Vize-Vorsitzende geben: Wowereit, Nordrhein-Westfalens Landeschefin Kraft, den bisherigen Arbeitsminister Olaf Scholz und Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig.

Scholz betonte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, er habe nicht zusammen mit Nahles, Wowereit und Gabriel Steinmeiers Kandidatur für den Parteivorsitz verhindert. „Frank-Walter Steinmeier wäre jederzeit Parteivorsitzender geworden, wenn er den Anspruch erhoben hätte.“ Gabriel rief die Parteispitze intern zur Demut auf, wie die „Bild am Sonntag“ berichtete. Er forderte demnach mehr Teamarbeit. Die Partei sei nicht im Alleingang zu retten.

Aber die künftige Spitze ist sich nicht einig. Wowereit sprach sich für die Rückkehr zur Rente mit 65 sowie für Korrekturen an den Arbeitsmarktreformen aus. Es gebe in der neuen Parteiführung einen breiten Konsens, dass die SPD „elementare Kritik der Menschen an den Reformen aufnehmen und neu beantworten“ müsse. „Nur so können wir die Grundlage für eine neue Glaubwürdigkeit der Partei schaffen.“ Kraft warnte im „Focus“ davor, überstürzt die Agenda 2010 und die Rente ab 67 „über Bord zu werfen“.

Von Seiten der Linken gab es Signale für eine Annäherung. Allerdings wurde Fraktionsvize Bodo Ramelow beim Versuch, in der Afghanistan-Politik auf die SPD zuzugehen, von Parteichef Oskar Lafontaine umgehend zurechtgewiesen. Ramelow sagte der „Welt am Sonntag“: „Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug. Das wäre wie eine Flucht damals aus Vietnam.“ Die SPD solle sich aber klar werden über einen ehrlichen Zeitplan für einen Rückzug. Lafontaine stellte aber sofort klar: „Die Position der Partei Die Linke ist klar: Wir sind für einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.“