Der bisherige Umweltminister soll neuer Parteichef werden. Der Kanzlerkandidat übernimmt den Fraktionsvorsitz. Wowereit probte den Aufstand.

Berlin. Die SPD steht vor einem historischen Umbruch. Zwei Tage nach ihrem Debakel bei der Bundestagswahl hat die Parteispitze fast geschlossen aufgegeben. Der bisherige SPD-Chef Franz Müntefering, sein Vize Peer Steinbrück und Generalsekretär Hubertus Heil kündigten gestern auf der Fraktionssitzung in Berlin an, dass sie auf dem Bundesparteitag im November ihre Ämter abgeben werden. Auch Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erklärte nach einem dramatischen Machtkampf seinen Verzicht auf den Parteivorsitz - er wurde aber zum Fraktionschef gewählt.

Als neuer Parteichef und damit als Nachfolger von Müntefering ist hochrangigen SPD-Kreisen zufolge der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel ausersehen. Neue stellvertretende Parteivorsitzende könnten demnach Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der bisherige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft werden. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, Vertreterin des linken Parteiflügels, soll offenbar neue Generalsekretärin werden und als solche an herausgehobener Position neben Gabriel tätig werden.

In der turbulenten Fraktionssitzung bekundeten viele Teilnehmer offen ihren Unmut darüber, dass Steinmeier bereits am Sonntagabend kurz nach Verkündung des desaströsen Wahlergebnisses erklärt hatte, jetzt Oppositionschef werden zu wollen. In den Stunden zuvor hatte sich schon eine breite Front gegen Pläne aufgebaut, Steinmeier auch zum Parteichef zu machen. Die Berliner SPD forderte mit Zustimmung von Wowereit sogar den kompletten Rückzug Steinmeiers von allen Spitzenämtern. Die SPD müsse sich der Linkspartei öffnen.

Vor der Fraktion versuchte Steinmeier die Gemüter zu beruhigen. Er habe nach der Wahl überlegt, ob er sich aus der Verantwortung stehlen oder weiter mithelfen solle, die SPD wieder voranzubringen, sagte er in einer leidenschaftlichen Rede. Er habe sich für das Letztere entschieden. Der Fraktion komme beim Neuaufbau eine entscheidende Rolle zu, beschwor er die Abgeordneten. Sie sei "das Machtzentrum der Partei". Das Amt des Parteichefs strebe er dagegen nicht an. Nach dieser Versicherung wurde Steinmeier mit 88,7 Prozent der Stimmen zum neuen Fraktionschef gewählt.

SPD-Vize Peer Steinbrück verließ die Fraktion bereits während der Debatte und gab seinen Rücktritt bekannt: Er wolle "Raum machen für Jüngere", sagte er.