Spannung auf der Zielgeraden: Umfragen sagen Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün voraus.

Berlin. Wenn an diesem Sonntag 62,2 Millionen Bundesbürger darüber entscheiden, wer Deutschland in den nächsten vier Jahren regiert, dann kommt es aus Sicht der Parteien auf jede Stimme an. Zuletzt hat sich das Rennen der konkurrierenden Lager Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün dramatisch zugespitzt. Unmittelbar vor der Bundestagswahl rechnet die Mehrzahl der Wahlforscher und Experten mit einem äußerst knappen Wahlausgang. Lediglich die für das ZDF arbeitende Forschungsgruppe Wahlen ging am Freitag fest von einem Sieg für Union und FDP aus. "Es gibt keine Trendumkehr", sagte Institutschef Matthias Jung dem "Tagesspiegel". Schwarz-Gelb werde zwar eine knappe, aber dennoch sichere Mehrheit gewinnen, die SPD dagegen mit maximal 25 Prozent ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis im Bund einfahren.

Union und FDP büßten dagegen in einem "Stern-RTL-Wahltrend" ihre Mehrheit ein: Der am Freitagabend veröffentlichten neuen Forsa-Umfrage zufolge liegt Schwarz-Gelb mit 47 Prozent gleichauf mit SPD, Grünen und Linkspartei. In den vergangenen Wochen war der einst bequeme Vorsprung von Schwarz-Gelb auf ein Minimum geschrumpft.

Nach der neuen Forsa-Umfrage verlor die Union im Schlussspurt zwei Punkte und kommt auf 33 Prozent. Die FDP legt einen Punkt auf 14 Prozent zu. Die SPD verliert im Vergleich zu Anfang der Woche einen Punkt und liegt bei 25 Prozent. Die Grünen büßen einen Punkt auf zehn Prozent ein. Hingegen legt die Linke um zwei Punkte auf zwölf Prozent zu. Eine Umfrage des Instituts "Info GmbH" im Auftrag des "Handelsblatts", die am Mittwoch veröffentlicht wurde, sieht SPD, Grüne und Linke mit zusammen 49 Prozent sogar drei Punkte vor Union und FDP.

Erschwert wurden alle Prognosen im Vorfeld dadurch, dass bis zu ein Drittel der Wähler weiterhin unentschlossen ist. Die Parteien hatten deshalb jeweils "Last-Minute-Wahlkämpfe" vorbereitet. Die Union schreibt an diesem Wochenende 19 Millionen Haushalte an. Am Sonnabend lädt die Union zur finalen Abschlusskundgebung mit der wieder aus Pittsburgh heimgekehrten Kanzlerin in Berlin, die dabei noch einmal um breite Unterstützung werben will. Die SPD versammelte ihre Anhänger bereits am Freitag vor dem Brandenburger Tor. Steinmeier warf Union und Freien Demokraten vor, die Menschen über ihre tatsächlichen Absichten bis zum Wahltag bewusst im Unklaren zu lassen. "Aber die Leute lassen sich nicht veräppeln. Dafür gibt es am Sonntag die Quittung."

Wesentliche Bedeutung für den Wahlausgang dürften die sogenannten Überhangmandate haben. Eventuell könnten Union und FDP 46 Prozent der Stimmen reichen, um im Parlament eine Mehrheit zu bekommen. Überhangmandate gibt es, wenn eine Partei in einem Bundesland direkt in den Wahlkreisen mehr Mandate gewinnt, als ihr nach den Zweitstimmen zustehen.