Der Westen habe es nicht geschafft, al-Qaida die Grundlage zu entziehen. Helmut Schmidt kritisiert auch die deutsche Debatte.

Hamburg. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat sich tief besorgt über die Entwicklung in Afghanistan geäußert. „Mit den bisherigen Operationen, die nun schon seit fast einem Jahrzehnt laufen, ist das immer unschärfer gewordene Ziel offenbar nicht erreichbar“, sagte Schmidt dem Magazin der „Zeit“. Das ursprüngliche Ziel, der Terrororganisation al-Qaida die Grundlage zu entziehen, habe der Westen nicht erreicht.

„Zwar ist in Afghanistan nichts mehr von al-Qaida zu sehen, dafür aber im Westen Pakistans, nur ein Haus weiter. Man hätte vorher wissen können, dass man dieses Ziel mit den Mitteln, die man zur Verfügung hatte, nicht erreichen kann“, sagte Schmidt. Um in Afghanistan Stabilität herzustellen, „reichen selbst 200 000 Soldaten offenbar nicht aus“. Schmidt sagt zur deutschen Beteiligung in Afghanistan: „Ich habe den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von Anfang an mit Skepsis begleitet. Ich habe jedoch größten Respekt vor den jungen Männern und Frauen, die dort ihr Leben riskieren. Ich möchte nicht dazu beitragen, dass ihre Bereitschaft, das zu tun, was ihre Regierung angeordnet hat, beeinträchtigt wird“, sagte er.

Der Afghanistan-Einsatz hätte laut Schmidt auch im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen müssen: „Der Komplex von Fragen hätte im Parlament längst tiefgreifend diskutiert und dann im Wahlkampf zugespitzt werden müssen. Das kann man nicht von heute auf morgen mit Schlagworten nachholen.“

Auch in den USA ist eine neue Debatte über die richtige Strategie im Kampf gegen das Terrornetzwerk al-Qaida und die Taliban in Afghanistan entbrannt. Vizepräsident Joe Biden hat einem Bericht der „New York Times“ zufolge seinen Vorschlag erneuert, sich künftig weniger auf die Bekämpfung der Taliban und mehr auf das Entwurzeln der Terrorzellen von al-Qaida zu konzentrieren. Demzufolge müsse der Schwerpunkt der US-Operation von Afghanistan auf Pakistan verlegt werden.

Biden hatte bereits in der Vergangenheit mehrmals betont, dass die USA für jeden Dollar, den sie in Pakistan ausgeben 30 Dollar in Afghanistan aufwenden. Aus Bidens Sicht kommt die eigentliche Bedrohung für die Sicherheit der USA aus Pakistan, schreibt die Zeitung. US-Präsident Barack Obama habe den Biden-Plan bereits im März abgelehnt. Aber alleine die Tatsache, dass er erneut auf den Beratungstisch gekommen sei, zeige die Breite der derzeitigen Diskussion in den USA über den richtigen Ansatz in Kampf gegen den Terror.