Im Streit um die Massenimpfung gegen Schweinegrippe bießen die Krankenkassen mit ihren Millionenforderungen auf Granit.

Berlin/Hamburg. Die Krankenkassen beißen mit ihren Millionenforderungen wegen der Massenimpfung gegen Schweinegrippe auf Granit. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) warf ihnen Verunsicherung vor. Sie äußerte sich auch skeptisch zur Forderung der Kassen nach einem eigens anberaumten Spitzengespräch. Ein Ende des Streits um die größte Impfaktion seit Jahrzehnten ist aber nicht in Sicht: Die Kommunen warnten von einem Chaos wegen unklarer Zuständigkeiten. Der Schnelltest für Grippe soll wegen Unzuverlässigkeit jetzt nur noch in Ausnahmen bezahlt werden.

Im Streit um die Finanzierung dringt die Barmer Ersatzkasse auf eine schnelle Klärung. „Um sachlich über die Finanzierungsfrage zu reden, fordere ich Bund und Länder zu einem Spitzengespräch mit den Krankenkassen auf“, sagte der Barmer-Vorsitzende Johannes Vöcking. Eine Sprecherin Schmidts sagte: „Es hat längst mehrere Gespräche mit den Kassen gegeben.“ Schmidt sei zwar gesprächsbereit. „Sie erwartet aber, dass die Verunsicherung der Versicherten aufhört.“

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) blieb bei seiner Forderung nach Steuermitteln oder höheren Beiträgen, um die Kosten von 600 Millionen bis 1 Milliarde Euro aufzufangen. „Schön wäre es, wenn die Politik ihre gesetzlich vorgeschriebene organisatorische wie finanzielle Verantwortung wahrnimmt und wir nicht mehr über die Kostenverteilung diskutieren müssten, sondern im Sinne der Versicherten über die Umsetzung der Massenimpfung reden könnten“, sagte Sprecherin Ann Marini. Eine Entscheidung wird am Mittwoch mit dem Beschluss der entsprechenden Verordnung im Bundeskabinett erwartet.

Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem – ein führender Experte für die Kassenfinanzen – erwartet, dass auf die Hälfte der Versicherten Zusatzbeiträge zukommen, wenn die Kosten allein von den Kassen getragen würden, wie er der „Thüringer Allgemeinen“ sagte. Mehrere SPD-Politiker wiesen den Kassen aber die Verantwortung für die Impfkosten zu. Auch die Wirtschaft warnte vor allgemeinen Beitragserhöhungen.

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Der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, verlangte: „Es muss schnellstmöglich geklärt werden, welcher Personenkreis eine freiwillige Schutzimpfung erhalten kann, inwieweit der öffentliche Gesundheitsdienst in die Impfaktion eingebunden werden soll und wie die Kostenerstattung geregelt wird.“ Die geplante Verordnung schaffe nicht genug Klarheit über die Rolle der Gesundheitsämter und Kommunen. Die Ministeriumssprecherin entgegnete: „Jeder Beteiligte sollte vor Ort selbst seinen Beitrag leisten.“ In den nächsten Wochen würden die Länder Impfvereinbarungen mit den Kassen schließen. „Die Organisation der Impfungen muss mit den Akteuren in den Regionen festgelegt werden.“

Wegen mangelnder Zuverlässigkeit wird der Schnelltest zur Schweinegrippe künftig nur noch in Ausnahmefällen angewendet. Das ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und dem Kassenverband. Stattdessen sollen Risikopatienten PCR-Tests von den Kassen bezahlt bekommen, wenn bei ihnen ein konkreter Verdacht auf Schweinegrippe besteht. Mit diesen Tests lässt sich die Viruskrankheit nachweisen. Nach Angaben des Leiters der Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover, Thomas F. Schulz, zeigen die Schnelltests zu mehr als 50 Prozent ein falsch negatives Ergebnis an.

Zählt ein Patient nicht zu einer Risikogruppe mit bestimmten chronischen Krankheiten, kann er auf eigene Kosten einen PCR-Test veranlassen. Andernfalls gibt es einen Schnelltest, für den der Betroffene die Kosten zunächst auslegen muss, sie dann von den Kassen aber erstattet bekommt.

Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts wies unterdessen Politikeraussagen zurück, dass ein Schweinegrippe-Impfstoff das Krebsrisiko erhöht. Die Weltgesundheitsorganisation habe für auf Zellkulturen mit Tumoreigenschaften basierende Impfstoffe schon vor etwa 20 Jahren ausreichende Regeln aufgestellt, sagte Johannes Löwer der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der SPD-Politiker Wolfgang Wodarg hatte vor einem möglichen Krebsrisiko durch den Impfstoff gewarnt.