Grippe trifft Schwangere offenbar schwerer - sie sollten sich impfen lassen. Das gilt auch für Menschen mit chronischen Leiden.

Hamburg. In Zeiten der Schweinegrippe sollten Schul- und Kindergartenkinder ihre Freunde nicht umarmen oder zur Begrüßung herzen, zumal wenn sie sich länger nicht gesehen haben. Das beuge einer Ansteckung vor, sagt Prof. Frank Riedel. "Außerdem gilt, dass die Kinder und Jugendlichen sich regelmäßig und intensiv die Hände waschen sollen", fügt der Ärztliche Direktor der Altonaer Kinderklinik hinzu. Mundschutz hält er für überflüssig. "Wenn ein Kind fiebert, Hals-, Kopf- oder Gliederschmerzen hat oder hustet, dann sollte es unbedingt dem Kinder- und Jugendarzt vorgestellt werden."

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Bisher haben die Kinder, die erkrankt waren, die Grippe gut überstanden, beruhigt der Mediziner. Kinder, die an Asthma, Immunschwäche, Herzerkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten leiden, sollten im Herbst geimpft werden, "sofern der Impfstoff auch für Kinder zugelassen ist", sagt Prof. Riedel und fügt hinzu: "Gesunde Kinder sollten nicht geimpft werden."

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, nur Menschen mit chronischen Erkrankungen zu impfen. Um den öffentlichen Betrieb aufrechtzuerhalten, so die WHO, sollten zudem Mitarbeiter von Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen, Krankentransporten, Feuerwehr und Polizei geimpft werden.

Ein zu niedrig dosierter Wirkstoff könne aber bei antiviralen Mitteln wie Tamiflu zu Resistenzbildungen gegen das Grippevirus H1N1 führen, so der Sprecher. Werde der Wirkstoff gegen ein billiges fiebersenkendes Mittel ausgetauscht, würden nur die Symptome der Grippe bekämpft, nicht aber die Viren. Die Zahl der derzeit registrierten Schweinegrippe-Fälle in Schleswig-Holstein beträgt 153.

Geraten wird auch Schwangeren, sich impfen zu lassen. Denn werdende Mütter haben ein deutlich höheres Risiko, dass bei ihnen die Schweinegrippe schwerer verläuft und sie an einer Lungenentzündung erkranken. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue US-Studie, die im britischen Journal "The Lancet" erschienen ist.

Dem Rat der WHO folgend, hat das Bundesgesundheitsministerium eine entsprechende Impf-Verordnung erarbeitet. Am 12. August wird diese im Bundeskabinett beraten. Das Ziel von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sei es, so eine Sprecherin, dass jeder, der geimpft werden wolle, auch geimpft werden könne. Die Krankenkassen wehren sich gegen die volle Finanzierung der Millionenkosten. Allerdings zählen empfohlene Schutzimpfungen zu den Pflichtleistungen der Kassen. Zunächst einmal werden die gesetzlichen Krankenkassen wohl die Impfung für die Menschen bezahlen müssen, die an chronischen Erkrankungen der Atemwege, des Herz- Kreislauf-Systems, der Leber oder Niere leiden, die Diabetes oder andere Stoffwechselerkrankungen haben, deren Immunsystem defekt oder deren Leibesfülle immens ist. "Das Ziel der Impfung ist es, schwere Erkrankungen infolge eines grippalen Infektes zu vermeiden. Deshalb reicht es aus, genau wie bei der saisonalen Grippe, nur die Risikogruppen zu impfen", erläutert Dr. Jakob Cramer. Es gehe nicht darum, mit dieser Impfung die Ausbreitung der neuen Grippe einzudämmen. "Von dem Ziel hat sich die Weltgesundheitsorganisation längst verabschiedet", sagt der Infektionsmediziner vom Uniklinikum Eppendorf (UKE). Er koordiniert die Impfstudie, die gestern auch in Hamburg angelaufen ist. Bereits mehr als 100 Menschen haben sich gemeldet, die an der Impfstudie teilnehmen wollen ( studien@bni-hamburg.de ).

Der Impfstoff, der jetzt getestet wird, "enthält im Wesentlichen die Komponenten, aus denen auch der alljährliche Grippeimpfstoff besteht", sagt Jakob Cramer. "Da wir bereits im Vorfeld leicht veränderte Zusammensetzungen des Impfstoffes auf Verträglichkeit hin überprüft haben, erwarten wir, dass die Substanz so verträglich ist wie bei anderen Grippeimpfungen auch."

Die Krankenhäuser in Hamburg, Niedersachsen und Bremen sind darauf vorbereitet, noch mehr Patienten zu versorgen. Das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hat in einem Container eine Ambulanz eröffnet, in der Patienten mit Verdacht auf Schweinegrippe behandelt werden. "Bislang haben wir rund 180 Patienten behandelt", sagt UKE-Sprecherin Christine Jähn.

In Deutschland sind 7963 Menschen an der Schweinegrippe erkrankt, meldet das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. Binnen 24 Stunden kletterte die Zahl der Infizierten damit um 786 Fälle, davon brachten 597 Menschen das Virus (H1N1/2009) aus dem Urlaub mit. In Hamburg sind 108 Menschen erkrankt, in Niedersachsen 1407 und in Schleswig-Holstein 171. In der Regel verlaufen die Erkrankungen in Deutschland nach wie vor mild. Es gab keine Toten. Weltweit sind hingegen 1154 Menschen gestorben, meldet die WHO, 42 davon in Europa. Gestern erst starb ein 17 Jahre alter, zuvor schon schwer kranker Niederländer an der Grippe.

Gleichwohl warnen alle Experten vor Panik. "Jeder muss sich selber nach seiner Risikobereitschaft fragen", merkt Infektionsmediziner Jakob Cramer an. An der saisonalen Grippe erkranken jedes Jahr acht bis zwölf Millionen Menschen allein in Deutschland, 10 000 bis 15 000 sterben daran. Wer im Winter ins Konzert, ins Theater oder in die Disco gehe, setze sich einem deutlich höheren Infektionsrisiko aus, "als wenn man jetzt eine Großveranstaltung besucht".