Der Staatsanwalt wirft Karlheinz Schreiber Steuerhinterziehung und Bestechung vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält sich zurück.

Augsburg/Berlin. Aus dem Sitz des Airbus A 330 der Air Canada (AC 846) ging es schnurstracks in die Zelle der JVA Augsburg. Und dort wurde Karlheinz Schreiber bewusst, dass er lange Zeit hinter Gittern verbringen könnte. Dem nach Deutschland ausgelieferten Ex-Waffenlobbyisten drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. Darauf hat der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz hingewiesen. Die Ankläger werfen Schreiber Steuerhinterziehung, Betrug und Bestechung vor. Der Prozess werde auf keinen Fall vor der Bundestagswahl am 27. September beginnen und voraussichtlich Monate dauern, sagte Nemetz.

Es gebe keine gesundheitlichen Bedenken gegen eine Untersuchungshaft von Schreiber, erklärte der Staatsanwalt. Schreiber sei auf dem Flug von Kanada nach München von einem kanadischen Arzt begleitet und bei seiner Ankunft von einem deutschen Arzt empfangen worden. Er sei dann von vier Beamten des Bundeskriminalamtes in die Justizvollzugsanstalt Augsburg gebracht worden. Für die Strafverfolger sei es „ein befriedigendes Gefühl“, dass die zum Teil nervenaufreibenden Verhandlungen mit den kanadischen Behörden nun doch zu einer Auslieferung Schreibers geführt hätten.

Schreiber gehört zum schwärzesten Kapitel der CDU. Nun drängt die Affäre um Schmiergelder, Waffenschiebereien und schwarze Parteikassen in den Bundestagswahlkampf. Schreiber, erfolgreicher Strippenzieher zwischen Politik und Waffenindustrie, sagte, hinter dem Druck von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) steckten Parteiinteressen. Zypries’ Sprecher reagierte prompt: „Das ist ein Vorwurf, der völlig aus der Luft gegriffen ist.“ Die Ministerin habe angesichts eines Fristablaufs Ende Juli erneut auf einen zügigen Abschluss des Verfahrens gedrungen. Dies sei „ein Beitrag zum Rechtsfrieden“.

Schreiber ist die Schlüsselfigur in der Spendenaffäre, die vor zehn Jahren die CDU von Altkanzler Helmut Kohl erschütterte. Eine ganze Reihe von Strafverfahren sind lange abgeschlossen, viele der damals zu Recht oder zu Unrecht in Verruf geratenen Unionspolitiker spielen heute keine aktive Rolle mehr, ausgenommen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der auch für die Zeit nach der Bundestagswahl 2009 eine wichtige Rolle in den Personalüberlegungen von Kanzlerin Angela Merkel spielt. Der einstige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Spendenaffäre, der SPD-Politiker Volker Neumann, sagte dem „Tagesspiegel“: Vor allem auf Schäuble werde sich die Debatte zuspitzen. „Die 100 000-DM-Spende an ihn ist der brisanteste Fall“, sagte Neumann.

Bei CDU und CSU gibt man sich gelassen zur Rückkehr des einstigen engen Vertrauten und Förderers. „Das hat keine politische Relevanz“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer knapp. Die meisten Dinge gehörten der Vergangenheit an und seien längst publik, verlautet aus CDU-Kreisen. Seehofer hat der Justiz freie Hand garantiert. Der bayerische Ministerpräsident sagte: „Ich kann ihnen garantieren, dass die Justiz in ihrer Unabhängigkeit ihre Arbeit machen wird.“ Das sei bei dieser Regierung gewährleistet.

Schreiber hatte vor Jahren bereits gedroht, falls er ausgeliefert werde, mache er einen Riesenzirkus. Und besonders Schäuble giftete der ehemalige Waffenlobbyist an. Schäuble hatte sich bei der Frage in Widersprüche verstrickt, wann und von wem er denn besagte 100 000 Mark entgegengenommen habe.

Ironie der Geschichte: Die heutige CDU-Chefin Angela Merkel hat Schreiber ungewollt ihren schnellen Aufstieg mitzuverdanken. Sie nutzte die Spendenaffäre 1999 zu einer öffentlichen Distanzierung von Kohl, der sich bis heute auf sein Ehrenwort beruft und die Urheber von illegal verbuchten Spenden nicht nennt. Als Schäuble dann wegen Schreibers 100 000-Mark-Spende abtreten musste, war plötzlich für die Ostdeutsche der Weg an die CDU-Spitze frei.

Merkel wird sich nicht für Schreiber einsetzen. Das erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Klaus Vater. Vater sagte, Schreiber habe sich an die Kanzlerin mit dem Hilfsersuchen gewandt. Da der Brief aber zu spät gekommen sei, sei keine Zeit zu einer unmittelbaren Reaktion vor der Abschiebung gewesen. Aber selbst wenn es diese Zeit gegeben hätte, „hätte sie es auch nicht getan“, betonte Vater. Zu Einzelheiten des Schreibens oder der von Schreiber gewünschten Einflussnahme wollte er nichts sagen.

Die SPD sieht nach den Worten ihres Vorsitzenden Franz Müntefering den Aussagen des früheren Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber gelassen entgegen. Die Sozialdemokraten hätten nichts zu verbergen. „Schreiber wird uns nicht verfolgen, eher die CSU“, sagte Müntefering nach einer SPD-Präsidiumssitzung. Schreibers private Kegelbahn sei Treffpunkt von Unionsgrößen gewesen. Der SPD-Chef: „Wir müssen da gar nichts machen. Stinken tut es woanders. Wir müssen nur sehen, dass die Leute merken, woher der Duft kommt."