CDU-Haushälter Kampeter warnt vor dramatischen Folgen. Bundeskanzlerin Merkel kündigt “Aufbau West“ an.

Berlin. Die Bundesregierung bewegt sich wegen der Rezession und weiterer geplanter Konjunkturhilfen im kommenden Jahr auf eine Rekordverschuldung zu. Intern werde für 2009 mit einer Aufnahme neuer Kredite von mindestens 30 Milliarden Euro gerechnet, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Regierungskreise. Das Finanzministerium bestätigte die Zahl nicht. Allerdings hieß es dort, weitere Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft würden über Schulden finanziert. Die Opposition befürchtet bereits eine Spitzenmarke von 50 Milliarden Euro.

Damit ist der Bundeshaushalt 2009 Makulatur, noch bevor er morgen endgültig vom Bundesrat beschlossen wird. Den bisherigen Schuldenrekord hatte 1996 der damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) mit 40 Milliarden Euro aufgestellt. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, es gebe noch keine Berechnungen für 2009: "Wir addieren zusammen, wenn klar ist, was finanziert werden muss." Bei den 30 Milliarden Euro handele es sich nicht um Berechnungen der Regierung. Klar sei aber, dass Einnahmeausfälle oder weitere Konjunkturhilfen nicht gegenfinanziert würden: "Das geht zulasten der Verschuldung."

Steffen Kampeter, Sprecher der Unionsfraktion im Haushaltsausschuss, reagierte alarmiert: "Ich appelliere, dass man sehr vorsichtig ist mit der höchsten Kreditaufnahme in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Sie bedeute "in einer Generation Inflation und Steuererhöhungen". Kampeter warnte: "Wir dürfen die Bonität Deutschlands nicht gefährden. Das ist die objektive Grenze für die Neuverschuldung." Kampeter verwies auf die Erfahrungen in Großbritannien: "Die stellen jetzt schon fest, weil sie acht Prozent ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an Schulden aufgenommen haben, dass sie abgestraft werden von ihren Geldgebern mit immer höheren Zinsen."

Deshalb dürfe der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt, der eine Obergrenze der Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorsieht, "nicht über den Haufen" geworfen werden. Kampeter mahnt zu Besonnenheit: "Es macht wenig Sinn, über Weihnachten die Pferde scheu zu machen."

Kanzlerin Angela Merkel will ein zweites Konjunkturpaket nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Barack Obama Ende Januar vorstellen. Im Zentrum werden Infrastrukturprojekte wie Schulsanierungen stehen. Die Größenordnung steht noch nicht fest. Im Gespräch sind mindestens 20 Milliarden Euro, das Hilfspaket II kann aber auch wesentlich größer ausfallen. Damit würde ein Nachtragshaushalt des Bundes unausweichlich - spätestens nach der nächsten Steuerschätzung im Mai. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Otto Fricke (FDP), rechnet mit einer Verschuldung "in Richtung 50 Milliarden Euro". Um die Kreditaufnahme so massiv erhöhen zu können, muss der Bundestag vorher eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen. Das ist nach Informationen der "Rheinischen Post" auch geplant.

Merkel kündigte indes an, nach 20 Jahren gezielter Förderung Ostdeutschlands nun besondere Wirtschaftshilfen in den Westen lenken zu wollen. Bei öffentlichen Investitionen gebe es Nachholbedarf in der alten Bundesrepublik, sagte die CDU-Chefin dem Politikmagazin "Cicero". "Wenn ich durch die alten Bundesländer reise, sehe ich viele Stadthallen, Schulen, Verwaltungsgebäude aus den 60er- und 70er-Jahren, wohingegen im Osten vieles neu ist." Der Westen sei jetzt verstärkt am Zuge.

Das entspricht auch der Wahrnehmung von Bremens Bürgermeister Jens Börnsen (SPD). Er sagte dem Hamburger Abendblatt: "Ich erwarte vom Bund ein möglichst schnell greifendes Konjunkturprogramm, das konkret bei kommunalen Investitionen ansetzt, etwa im Bereich von Infrastruktur, Schulen oder Krankenhäusern."

Auch der Deutsche Städtetag begrüßte die Ankündigung der Bundeskanzlerin. In der alten Bundesrepublik habe sich ein "hoher Sanierungsbedarf" aufgestaut, sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus der "Welt".