Über die Seelenlage der Republik kann man sich immer wieder wundern: Da diskutieren Leitartikler und Spitzenpolitiker seit Wochen, mit welchen...

Über die Seelenlage der Republik kann man sich immer wieder wundern: Da diskutieren Leitartikler und Spitzenpolitiker seit Wochen, mit welchen Konjunkturspritzen, Investitionsprogrammen und Steuersenkungen man der Krise beikommen kann -, und plötzlich sind alle schwer überrascht: Die Neuverschuldung der Bundesrepublik explodiert. Na, so was! Diese Nachricht kommt so überraschend wie die Kreditkartenabrechnung nach dem weihnachtlichen Kaufrausch. Und hier wie dort gilt: Mit den Schulden werden wir erst einmal leben müssen.

Anders als in früheren Jahren sind diese Lasten nun unvermeidlich: In Zeiten, in denen Banken kaum noch Kredite vergeben, Unternehmen in Schockstarre und Konsumenten in Angst verfallen, ruhen auf dem Staat die Hoffnungen. Er muss die Dynamik und Geld in den Wirtschaftskreislauf zurückbringen. Investitionen in Schulen und Straßen, in Universitäten und Umweltschutz, also in Bereiche, in denen viel zu lange geknausert wurde, sind das Gebot der Stunde.

Das Grundgesetz lässt befristetes Schuldenmachen zu, wenn das "gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört" ist. Diese Voraussetzung dürfte in der schwersten Krise seit 1949 als erfüllt gelten. Die EU-Kriterien, die das Haushaltsdefizit auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzen sollen, waren zwar gut gemeint, aber willkürlich. Heute sind sie unsinnig. Jetzt muss das Ziel lauten, nach der Krise zu einem ausgeglichenen, ja positiven Haushalt zurückzukehren. Dass dies möglich ist, haben die skandinavischen Staaten bewiesen. Die Schweden etwa verschuldeten sich 1994 in ihrer tiefen Wirtschaftskrise mit 10,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Seit 1998 erwirtschaften sie wieder Haushaltsüberschüsse. So sollte auch das aktuelle Schuldengebot an ein Versprechen gekoppelt sein: das Schuldenverbot in besseren Zeiten.