Peer Steinbrück: Es gibt keine Konsumgutscheine. Deutsche Bank gegen Politik der ruhigen Hand.

Berlin / Hamburg. Während der Bundesrat am Freitag das 32 Milliarden Euro schwere Paket zur Bekämpfung der Konjunkturkrise billigte, zeichnete der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, ein düsteres Szenario. "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es nicht bei einem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung bleibt, dass wir einen drastischen Abschwung erleben werden", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Selbst ein Minus des Bruttoinlandsprodukts von vier Prozent ist nicht auszuschließen", so Walter. Demnach droht Deutschland die schlimmste Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. Zum letzten Mal ist die deutsche Wirtschaft 1993 nach dem Wiedervereinigungsboom um 0,8 Prozent geschrumpft, das bisher stärkste Minus gab es 1975 mit 0,9 Prozent während der Ölkrise.

Bundesregierung und führende Wirtschaftsforschungsinstitute rechneten zuletzt noch mit einem minimalen Plus von 0,2 Prozent. Die Aussichten hätten sich seit Herbstbeginn jedoch "markant verschlechtert", schreibt auch die Bundesbank in ihrer am Freitag in Frankfurt am Main veröffentlichten halbjährlichen Wirtschaftsprognose.

Die Unsicherheiten seien außerordentlich hoch. Auch ein kurzfristig deutlich schärferer Konjunktureinbruch wäre "keineswegs abwegig", hieß es in dem Papier. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war bereits im dritten Quartal 2008 um 0,5 Prozent und damit zum zweiten Mal in Folge gesunken. Damit steckt Deutschland nach gängiger Definition bereits in einer Rezession . Gründe für den Wirtschaftseinbruch sind nach der Analyse der Bundesbanker vor allem der Rückgang der Auslandsnachfrage. Zugleich seien vom privaten Verbrauch "keine nennenswerten Impulse zu erwarten". Die Auftragseingänge der Industrie sanken nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums im Oktober um 6,1 Prozent - nach 8,3 Prozent im September. Die Industrieproduktion werde sich deshalb in den kommenden Monaten weiter rückläufig entwickeln.

Die Arbeitslosigkeit dürfte sich nach Einschätzung der Bundesbank im Jahresdurchschnitt 2009 und 2010 jeweils um mehr als 100 000 Personen erhöhen. Das würde allerdings "im Vergleich mit früheren zyklischen Schwächephasen keinen harten Rückschlag bedeuten", hieß es.

Der Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Walter schlägt zur Belebung der Konjunktur eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer von jetzt 19 auf 16 Prozent vor "und zwar so schnell wie möglich, schon für 2009", so Walter gegenüber dem Abendblatt. Für eine Politik der ruhigen Hand sei "keine Zeit": "Was wir brauchen, sind europaweit abgestimmte Maßnahmen zur Stimulierung der Nachfrage."

Der Bundesrat indes beschloss am Freitag das Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Der Vermittlungsausschuss wurde nicht angerufen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nutzte seinen Auftritt vor der Länderkammer, um sich über die "virtuelle Debatte" zu beschweren, die seit Tagen zum Thema Konsumgutscheine geführt werde. Kein Bürger könne damit rechnen: "Damit das ein für alle Mal klar ist." Das erste vorweihnachtliche Wochenende sei sogar besser gelaufen als im Vorjahr. Jetzt bestehe die Gefahr, dass das bevorstehende zweite Advents-Wochenende nicht mehr so gut sein werde.

Grundsätzlich kritisierte Steinbrück erneut einen Überbietungs-Wettbewerb bei den Konjunkturmaßnahmen. Dieses "Debatten-Problem" sei inzwischen ähnlich groß wie die wirtschaftlichen Probleme.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) leitete im unionsinternen Streit um rasche Steuersenkungen zur Ankurbelung der Konjunktur indes eine neue Runde ein: Er warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der "Bild"-Zeitung, Steuersenkungen auf die Zeit nach der Bundestagswahl hinauszuzögern. Es müsse jetzt gehandelt werden, um Arbeitslosigkeit und Werksschließungen zu vermeiden.