SPD-Fraktionschef lehnt im Abendblatt Schecks für die Bürger ab: “Dieses Geld hat der Staat nicht.“ Deutsche Bank erwartet eine Rekordrezession.

Berlin/Hamburg. SPD-Fraktionschef Peter Struck hat die Große Koalition eindringlich ermahnt, die Debatte über weitere Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur zu beenden. Allein die Diskussion über Konsumgutscheine sei schädlich, weil sie zu Kaufzurückhaltung führe, sagte Struck im Interview des Hamburger Abendblatts. "Insofern sollten alle den Mund halten und abwarten, wie das jetzt beschlossene Konjunkturpaket wirkt." Freitag billigte der Bundesrat das 32 Milliarden Euro schwere Paket.

Die vor allem in seiner eigenen Partei geforderten Konsumgutscheine sehe er "sehr skeptisch", bekräftigte Struck. "Es kostet viel Geld, jedem Erwachsenen in Deutschland 500 Euro zu schenken. Das wären 30 oder 40 Milliarden Euro, die der Staat nicht hat. Was machen wir denn, wenn in einem halben Jahr die gleiche Situation ist? Noch einmal 40 Milliarden ausgeben?" Neue Forderungen aus der CSU nach rascher Senkung der Einkommenssteuer wies der Fraktionschef ebenfalls zurück. Steuersenkungen seien "im Augenblick überhaupt nicht finanzierbar".

Zugleich nahm Struck die Bundesländer in die Pflicht. "Die Länder können in dieser Situation nicht die Hände in den Schoß legen und den Bund allein lassen", mahnte er. Von reichen Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg erwarte er, dass sie kommunale Investitionsprogramme auflegen, etwa für Straßenbau oder Schulsanierung. Der Bund sei bereit, entsprechende Programme im Haushalt von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) aufzustocken. Hierbei müssten die Länder mehr Flexibilität zeigen, forderte der SPD-Politiker. "Sie sollten Gemeinden, die beispielsweise die notwendigen zehn Prozent Eigenmittel für eine Fördermaßnahme des Bundes nicht aufbringen können, das Geld trotzdem zur Verfügung stellen."

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, erwartet die schlimmste Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es nicht bei einem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung bleibt, dass wir einen drastischen Abschwung erleben werden", sagte er dem Abendblatt. "Selbst ein Minus des Bruttoinlandsprodukts von vier Prozent ist nicht auszuschließen." Zum letzten Mal ist die deutsche Wirtschaft 1993 nach dem Wiedervereinigungsboom um 0,8 Prozent geschrumpft, das bisher stärkste Minus gab es 1975 mit 0,9 Prozent während der Ölkrise.

Chefvolkswirt Walter schlägt zur Belebung der Konjunktur eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer von jetzt 19 auf 16 Prozent vor - "und zwar so schnell wie möglich, schon für 2009".