Früher beschenkten Herrscher ihr Volk, um es ruhig zu halten - heute soll es eifrig einkaufen. Umstritten ist, ob ein Scheck der Wirtschaft wirklich hilft.

Der kleine Lottogewinn zwischendurch? Das wäre ein großes Wort für Konsumgutscheine. Noch ist nicht einmal die Höhe des Gewinns klar: In der aufgeregten Diskussion über Barschecks als Mittel, die Kauflust der Deutschen anzuheizen, gibt es fast stündlich neue Vorschläge. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger plädiert für Schecks in Höhe von 125 Euro, will aber Besserverdienende ausnehmen. SPD-Vizechefin Andrea Nahles und Gewerkschafter Hubertus Schmoldt sind eher für 250 Euro "für jeden Einwohner", befristet einlösbar und nur bei Einkäufen, nicht bei Banken. Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach schlägt sogar 500 Euro für jeden Erwachsenen vor, wenn ein Eigenanteil von 200 Euro draufgestockt wird. 20 bis 40 Milliarden Euro soll der kleine Lottogewinn kosten. Einig sind sich die Befürworter darin, "dass Konsumgutscheine relativ schnell eingesetzt werden können und relativ breit wirken", sagt Bofinger.

Die schnelle Wirksamkeit mag sogar zutreffen. Für 250 Euro bekommt man zwar noch keinen hochwertigen Flachbildschirm. Aber doch eine gute Digitalkamera bei Ebay zu Weihnachten. Oder eine Erstausstattung fürs Kinderzimmer, teilweise gebraucht. Oder auch eine Last-Minute-Reise über Silvester, eine Woche Tunesien zum Beispiel. Oder man hat schon mal die Gebühren für ein halbes Jahr an der Uni Hamburg beisammen.

Aber unbequeme Fragen bleiben. Können 20 Milliarden Euro - privat investiert in Restaurantbesuche, Kitakosten, neue Teppiche oder DVD-Player - ein Konjunkturprogramm ersetzen, das einen beginnenden Abschwung aufhält? Wann braucht eigentlich wer das Geld?

Die Idee sei "sicherlich ein netter Scherz zur Weihnachtszeit, dies kann aber keine Lösung für die derzeitige Krise sein", sagt ein Sprecher des Städte- und Gemeindebundes. Grünen-Chef Cem Özdemir warnt, man könne das Geld nur einmal ausgeben, "und dann ist es weg". Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sieht zurzeit "kein Konsumproblem, das Weihnachtsgeschäft läuft gut. In einer solchen Lage wäre es doch grotesk, den Leuten zu sagen, sie sollen erst im Februar einkaufen, weil sie dann noch einen Scheck vom Staat obendrauf bekommen."

Konsumgutscheine würden viel kosten, hätten eine hohe Staatsverschuldung zur Folge und zeigten wenig Wirkung, sagte der frühere Finanzminister Hans Eichel (SPD) dem Abendblatt. "Die Leute haben bereits eine starke Entlastung durch die niedrigeren Benzin- und Heizungsrechnungen und sind bereit, zu konsumieren: Alles, was an der Tankstelle weniger gezahlt wird, geht in den Konsum." Eichel sieht die Gefahr, dass die Deutschen die Maßnahme "nicht als positiven Anreiz, sondern als Alarmsignal deuten könnten".

Auch in anderen Ländern haben Konsumgutscheine nicht immer die erhoffte Wirkung gehabt. Japan ließ 1999 mitten in einer tiefen Rezession den privaten Haushalten Konsumgutscheine in Höhe von umgerechnet fünf Milliarden Euro zustellen. Aber die Japaner kauften nur das Notwendigste, die Konsumbelebung verpuffte. Spanien hat im Sommer 2008 sechs Milliarden Euro als Steuerrückerstattung an seine Bürger ausgezahlt - auch hier hat die Einmalspritze kaum einen Effekt auf den Konsum gehabt.

In den USA verteilte die Bush-Regierung Anfang 2008 Steuergutschriften an Bürger und Firmen: Alleinstehende bekamen bis zu 600 Dollar (410 Euro), Ehepaare bis zu 1200 Dollar. Viele Amerikaner nutzten sie allerdings zur Rückzahlung von Kreditkarten- und Hypothekenschulden. Manche Wirtschaftsexperten bewerten die Aktion als Erfolg, andere als "Strohfeuer" - das aktuelle 700-Milliarden-Notprogramm der USA hat sie auch nicht ersetzen können.

Der Sprecher von Bundesfinanzminister Steinbrück, Torsten Albig, warnt deshalb vor Schnellschüssen: "Hektischer Aktionismus produziert nur eines, nämlich wieder hektischen Aktionismus." Diese Bundesregierung orientiere sich an Vernunft.

Geschenke an das Volk hat es immer gegeben, allerdings nur bei Krönungsfeierlichkeiten oder etwa bei der Hochzeit der letzten Romanows. In Rezessionen oder bei Hungersnöten wurde früher keine Rücksicht genommen: Das Volk hatte Abgaben und Steuerlasten zu tragen, Soldaten zu stellen, Not zu schultern. Erst der moderne Staat nutzt feinere finanzielle und fiskalische Instrumente, um in Wirtschaft und Konsum zu intervenieren.

Aber diese Instrumente haben in Krisenzeiten immer ein bisschen das Flair einer Beruhigungspille. Sind die Deutschen derzeit beunruhigt? Verbraucherumfragen zufolge nicht. Aber was macht der Jungakademiker, der in der Praktikumsschleife steckt und gleichzeitig schon fürs Alter vorsorgen soll? Oder die Eltern, die Studiengebühren für Kinder berappen müssen, statt ein Haus abzuzahlen? Vieles spricht dafür, dass ein durchdachtes Steuer- und Investitionsprogramm mehr bewirken könnte als 250 Euro per Scheck.