Weitschweifige Rede von Kurt Beck. Lediglich Gesine Schwan brachte ein wenig Schwung in die Veranstaltung.

Nürnberg. Die Zukunft startet verspätet: Fast 20 Minuten nach der angesetzten Uhrzeit betritt Kurt Beck, begleitet von einem ganzen Tross hochrangiger Sozialdemokraten wie Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Generalsekretär Hubertus Heil, die Halle 4 der Nürnberger Messe. Begeisterter Applaus brandet auf, die 3000 Teilnehmer des Zukunftskonvents stehen auf: Die Genossen sind gekommen, um ihre Spitzenpolitiker zu bewundern, allen Streitereien und schlechten Umfragewerten zum Trotz.

Beck, hinter dem sich das Führungspersonal zum Gruppenbild aufgestellt hat, startet gleich mit Selbstkritik: Die "Großkopferten" der Partei hätten in der letzten Zeit nicht immer das allerbeste Bild abgegeben. Für die Zukunft fordert er mehr Geschlossenheit: "Wenn Entscheidungen getroffen werden, müssen sie auch gelten - und zwar für alle."

Dann widmet er sich der Koalitionsfrage und sichert zu, dass es nach 2009 weder ein Bündnis mit noch eine Duldung durch die Linkspartei geben werde. Die 150 Milliarden Euro teuren Versprechungen der Linken seien "gleichbedeutend mit dem Sägen an dem Baum, auf dem die Menschen alle sitzen". Natürlich sei eine Alleinregierung am schönsten. Da das auf absehbare Zeit nicht gehe, sollte man an der rot-grünen Zeit anknüpfen.

Doch das Lagerdenken gehöre überwunden: Die sozialliberale Koalition unter Brandt und Schmidt sei eine "gute Zeit für Deutschland" gewesen. Daher gelte für die FDP: "Wir schlagen keine Türen zu, sondern wir machen auch diese Türen ausdrücklich auf." Die rechnerisch wahrscheinlichste Ampel wird damit offen angestrebt. Eine neue Große Koalition mit der Union sieht der Parteichef nur für den Notfall. "Wir tun alles, damit das nicht wieder notwendig wird." Nur wenn es nach der Wahl keine andere verantwortbare Alternative gebe, "geht Deutschland vor der Befindlichkeit der Parteien".

In seiner Rede holt Beck weit aus, greift manches Mal auf die kämpferische Geschichte der SPD zurück und betont, die Partei wolle für Leistungsträger wie für die Schwachen der Gesellschaft gleichermaßen da sein. Man wolle weder die "Steuerhysterie" der Union noch die "Ausgabenorgie" der Linken mitmachen, für Bildungschancen für alle sorgen und für Mindestlöhne kämpfen. Einen wirklichen Schwerpunkt setzt er nicht. 78 Minuten lang spricht Kurt Beck, ehe er schließt: "Wir haben die Kraft, erfolgreich zu werden. Es liegt an uns."

Während manche Beobachter die zukunftsweisenden Elemente in der Ansprache vermissten, kam sie bei den Teilnehmern gut an: "Er hat alle wichtigen Themen angerissen und sich nicht treiben lassen", so ein Genosse aus Bayern beim zünftigen Mittag mit Bratwurst und Kartoffelsalat.

Die nachmittäglichen kleinen Runden zu den wichtigsten sozialdemokratischen Arbeitsfeldern erweisen sich als reine Showveranstaltungen. Wer angeregte Diskussionen erwartet hatte, wurde enttäuscht: Die hochrangigen Redner wie Arbeitsminister Olaf Scholz oder Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul halten kurze Vorträge oder unterhalten sich mit ihren Koreferenten. Da fällt nur wenig Zukunftweisendes ab.

Die Delegierten scheint auch dies wenig zu kümmern. Sie sind gespannt auf die eigentliche Attraktion des Tages: die SPD-Präsidentschaftskandidatin. "Direkt aus Italien", wie Hubertus Heil ankündigt, kommt Gesine Schwan für ein abschließendes Grußwort nach Nürnberg. Mit Standing Ovations empfängt der Saal sie, als sie mit gewohnt wilder Hochfrisur, einen roten Sommerblazer über dem schwarzen Kleid, auf die Bühne stürmt. Ihr Hauptanliegen: "Politik darf nicht ein Anhängsel von Wirtschaft sein." Ansonsten versucht sie, den Eindruck von Streitereien innerhalb der SPD zu zerstreuen: "Wir haben keine gespaltene Partei!" Sie wisse genau, wie das sei - in den 70er- und 80er-Jahren war die Stimmung eindeutig anders, damals war Schwan aus der Grundwertekommission der Sozialdemokraten ausgeschlossen worden. Die Arbeit am Hamburger Programm sei hingegen konstruktiv verlaufen. Balsam für die Seelen der Genossen. Immer wieder brandet Beifall auf, auch an Stellen, bei denen Gesine Schwan nicht damit gerechnet hatte: "Ja, wenn ihr wollt, macht!", ruft sie strahlend. Offensichtlich fungiert die Präsidentin der Viadrina-Universität als Lichtgestalt für eine Partei, der es an leuchtenden Vorbildern fehlt.

Die Stimmung im Saal nach der kurzen Ansprache ist endlich von der Lust an der Zukunft erfüllt. Beschwingt machen sich die Teilnehmer auf den Heimweg, der für viele derjenigen, die Richtung Leipzig und Berlin reisen wollen, vorzeitig stoppt: Ein Erdrutsch in Saalfeld verhindert die Weiterfahrt. Manchmal endet die Zukunft schon, bevor sie wirklich begonnen hat.