189 Fachärzte wurden befragt. Gesundheitsökonom Karl Lauterbach fordert einheitliche Honorare. Ärzteverbände weisen Vorwürfe zurück.

Hamburg. "Eine derartige Studie gibt es noch nicht, wir sind die Ersten." Seinen Stolz konnte Markus Lüngen gegenüber dem Abendblatt nicht ganz verhehlen. Der kommissarische Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie der Universität Köln hat die Untersuchung betreut, wie lange Patienten in Facharztpraxen auf einen Termin warten müssen. Und noch einen anderen Grund gab es für das Kölner Uni-Team: "Wir wollten eigene Erfahrungen und Erzählungen endlich einmal wissenschaftlich untersucht und belegt haben."

Im Frühjahr 2006 hatten wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts 189 niedergelassene Fachärzte im Raum Köln/Bonn/Leverkusen kontaktiert. Telefonisch gaben sich die Tester als Kassen- oder Privatpatienten zu erkennen und baten um eine von fünf ausgewählten Untersuchungen: einen Allergie- und Lungenfunktionstest, eine Augenuntersuchung (Pupillenerweiterung), eine Magenspiegelung, einen Hörtest oder eine Magnetresonanztomografie des Knies. Gezählt wurden die Werktage, die zwischen dem Anruf und dem vergebenen Termin lagen.

Der größte Unterschied in absoluten Zahlen ergab sich für die Magenspiegelung, auf die Privatpatienten im Durchschnitt 11,9 Werktage, Kassenpatienten hingegen 36,7 Werktage warten mussten. Am geringsten fiel der Unterschied bei den Hörtests aus, die bei Kassenpatienten nach 6,8 Tagen ausgeführt wurden, während Privatversicherte bereits 2,2 Tage nach dem Telefonanruf in die Praxen gebeten wurden.

Das Bundesgesundheitsministerium verwies auf die Verantwortung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Es sei deren Aufgabe, eine reibungslose Versorgung sicherzustellen, sagte eine Sprecherin. Zu begrüßen seien Initiativen, die sich der Probleme der Versicherten annehmen. Der KBV-Vorsitzende Andreas Köhler erklärte, es gebe keine Unterschiede in der Behandlung.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach beklagte die unterschiedlich hohen Honorare. "Wir brauchen eine einheitliche Honorarordnung für alle Versicherten, egal ob gesetzlich Versicherte oder privat Versicherte", sagte Lauterbach dem Abendblatt. "Sonst wird es immer eine Zwei-Klassen-Medizin geben."

Wenn Leistungen für privat Versicherte besser bezahlt würden, sei es eben für den Arzt lukrativer, solche Patienten zu behandeln. "Dann bekommen wir auf lange Sicht amerikanische Verhältnisse", so Lauterbach. Er ist der Direktor des Kölner Instituts, wegen seines Bundestagsmandats aber derzeit beurlaubt.

Der Hamburger Ärztekammer-Chef Frank Ulrich Montgomery machte dagegen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Politik der Bundesregierung verantwortlich: "Wenn man seit Jahren Zwei-Klassen-Medizin forciert, darf man sich nicht wundern, wenn jetzt so etwas passiert."

Dr. Johannes Pietschmann, Hamburger Sprecher des Verbands "Freie Ärzteschaft" und damit Interessenvertreter niedergelassener Ärzte in der Hansestadt, zeigte Verständnis für das Vorgehen seiner Kollegen. "Ich gehöre selbst zu den Ärzten, die Privatpatienten am liebsten noch am selben Tag behandeln", sagte der Orthopäde dem Abendblatt. "Wenn ich fünf Akten auf dem Tisch liegen habe, kann es sein, dass die Privatpatienten ein bisschen schneller drankommen als die anderen. Allerdings fragen meine Helferinnen nicht, wenn jemand telefonisch um einen Termin bittet, ob diese Person Privat- oder Kassenpatient ist."

Der Hamburger SPD-Gesundheitspolitiker Martin Schäfer wies die Kritik der Ärzte in Teilen zurück. "Dass Kassenpatienten und Privatpatienten unterschiedlich behandelt werden, ist eine uralte Geschichte", so Schäfer. "Das hat nichts mit Politik zu tun, sondern nur damit, ob man nun mehr oder weniger Geld bekommt."