Der Kanzler will die Motive der Vertrauensfrage erst im Bundestag erklären

Berlin. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will erst am Tag der Abstimmung im Parlament die Vertrauensfrage konkretisieren, mit der er den Weg für Neuwahlen im September ebnen will. Schröder wolle am 1. Juli im Bundestag die "Art und Weise des Vorgehens" und "seine Beweggründe" erläutern, sagte Regierungssprecher Beela Anda. Der Bundestag habe das Recht, zuerst darüber informiert zu sein, sagte Schröder.

Wenn Schröder die Vertrauensfrage am 1. Juli stellen will, müßte er dies bis zum 29. Juni beantragt haben. Das erfordert noch keine Angaben, ob er diese Abstimmung mit einer Sachfrage verknüpfen will. Zuletzt war spekuliert worden, ob Schröder die Abstimmung mit der Unternehmensteuer-Reform verknüpfen werde. Die Grünen lehnen das ab.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer hatte zunächst noch "keine näheren Kenntnisse" von dem Vorhaben. Er ging davon aus, daß dies heute Thema der Koalitionsrunde von SPD und Grünen sein werde. Vertreter der Grünen und der SPD bemühten sich, die jüngsten Streitigkeiten der Koalition herunterzuspielen. Der Kanzler sagte im Parteirat, es gebe "keinen Grund, von den Erfolgen der rot-grünen Regierungspolitik wegzurobben". SPD-Chef Franz Müntefering versicherte vor dem Gremium, die rot-grüne Koalition werde "weiterarbeiten, wenn der Wähler ihr dazu den Auftrag erteilt". Bütikofer sagte, rot-grüne "Zerfleischungsarien" machten keinen Sinn. Er habe mit Müntefering gesprochen; der Inhalt des Gesprächs solle aber "nicht auf den Markt" getragen werden.

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte, vor einer Neuwahl sollte man "mehr miteinander als übereinander sprechen". Er warnte die SPD gleichzeitig vor einer großen Koalition. "Wenn die SPD den Kanzler stellen will, wird das nur mit uns gehen", sagte der Grünen-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Viele, die jetzt über die rot-grüne Koalition herzögen, würden sich danach zurücksehnen, wenn es erst einmal Schwarz-Gelb gebe. Sein Verhältnis zum Kanzler nannte er "unverändert gut". Parteichefin Claudia Roth betonte, daß es "keine Zerrüttung" mit der SPD gebe. Fraktionschefin Krista Sager ging davon aus, daß die Streitigkeiten mit der SPD beendet seien.

Der SPD-Parteirat billigte nach Aussage seines Vorsitzenden Rüdiger Fikentscher nach gut dreistündiger Aussprache einmütig den Vorstoß von Schröder und Müntefering für eine vorgezogene Bundestagswahl. In der Sitzung warnten mehrere Teilnehmer vor weiteren Koalitionsauseinandersetzungen mit den Grünen.