Schätzung: Finanzminister will Bundesvermögen verkaufen und mehr Schulden machen.

Berlin. Dieses Ausmaß an Steuerausfällen hatte selbst die Opposition nicht erwartet: Auf 61 Milliarden Euro bezifferten die Steuerschätzer gestern in Gotha die Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen bis zum Jahr 2007. Damit korrigierten die Experten nach dreitägiger Klausur nicht nur die eigenen Annahmen das siebte Mal in Folge nach unten. Auch die optimistischere Prognose von Finanzminister Hans Eichel (SPD) revidierten sie um elf Milliarden Euro.

Zur Schließung der Haushaltslücken kündigte Finanzminister Hans Eichel (SPD) einen Mix aus Privatisierungserlösen (vor allem Verkäufe von Post und Telekom sind möglich), schon beschlossenen Einsparungen sowie höherer Kreditaufnahme in diesem und im nächsten Jahr an. Er bezifferte die Lücke im Bundeshaushalt für 2004 auf zehn bis elf Milliarden Euro und schloss nicht aus, das Loch allein durch Kredite zu füllen. Dann würde die Neuverschuldung von 29,3 auf rund 40 Milliarden Euro steigen. Eichel versicherte zugleich, dass er für 2005 einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen werde, die Kreditaufnahme also nicht die Summe der Investitionen überschreite. Er räumte erneut ein, dass Deutschland im kommenden Jahr das in der EU vorgesehene Stabilitätskriterium von drei Prozent wahrscheinlich nicht einhalten kann.

Eine "hektische Verschärfung des Sparkurses" und Steuererhöhungen lehnte Eichel als "Gift für den noch nicht endgültig gefestigten wirtschaftlichen Aufschwung" ab. Auch seien den Bürgern nach der Reformagenda 2010 keine weiteren Belastungen zuzumuten.

Mit scharfer Kritik und Warnungen vor neuen Schulden haben Opposition und Verbände auf die Steuerschätzung reagiert. Für die Union forderte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer eine sofortige Haushaltssperre. CSU-Chef Edmund Stoiber warf der Regierung vor, den Euro-Pakt auszuhebeln. Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) forderte, die Agenda 2010 müsse "unbeirrt, konsequent und zügig" umgesetzt werden, um Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu schaffen. Die Arbeitgeber nannten die Fehlbeträge "die Quittung für den mangelnden Reformmut".

Am härtesten treffen die Steuerausfälle den Bund. Er muss bis 2007 mit 40,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen auskommen als bisher erwartet. Der Steuerschwund der Länder beträgt 28,5 Milliarden Euro. Die Kommunen können sich dagegen über einen Zuwachs von 8,5 Milliarden Euro freuen. Das Steuerminus geht vor allem auf die Konjunkturkrise und die hohe Arbeitslosigkeit zurück.