Kommentar

Es war erst am Mittwoch, da beklagte Bundespräsident Johannes Rau in seiner Berliner Rede die Verunsicherung der Bürger und den Mangel an Vertrauen im Lande. Schon einen Tag später, am gestrigen Donnerstag, traten mit der neuesten Steuerschätzung einige wichtige Gründe für diese Malaise wieder einmal erschreckend deutlich zu Tage.

Die gesamte Finanzplanung des Staates beruht offenkundig auf einem gewaltigen Selbstbetrug der politisch Verantwortlichen. Sie schönt erkennbar mit dreister Regelmäßigkeit ihre Etatpläne, indem sie unrealistisch hohe Steuereinnahmen einkalkuliert. Vor allem der Bundesfinanzminister bastelt seit Jahren Haushaltsentwürfe, die mehr mit einem Märchenbuch als mit der Wirklichkeit zu tun haben und sich stets als realitätsfernes Fantasieprodukt entpuppen. Deshalb ist Hans Eichel als Finanzminister längst nicht mehr tragbar. Denn Glaubwürdigkeit wäre sein wichtigstes Kapital; doch kaum ein Bürger glaubt Eichel auch nur noch ein Wort.

Nicht minder problematisch ist der Eindruck, dass Gerhard Schröders Kassenwart offensichtlich nicht die geringste Idee hat, wie sich die Haushalts- und Finanzplanung wenigstens mittelfristig auf eine seriöse, solide und berechenbare Grundlage stellen lässt. Das aber schreckt Investoren ab, die verlässliche Rahmenbedingungen brauchen. Dies fördert auch das "Angstsparen" von Privatleuten, die ebenfalls eine berechenbare Perspektive benötigen. Nichts davon liefert Eichel.

Natürlich verhält sich auch die Opposition in der Finanzpolitik nicht immer sehr konstruktiv. Doch es ist erst einmal die Aufgabe von Rot-Grün, überzeugende Finanzkonzepte vorzulegen. Solange die fehlen, wird auch das Vertrauen in das Können der Koalition nicht zunehmen.