Die Internetanbieter Telekom, Vodafone/Arcor, Alice/Hansenet, Kabel Deutschland und Telefonica/O2 verpflichten sich gegenüber dem Bundeskriminalamt zum Sperren von Seiten. Chaos Computer Club: Das ist nutzlos.

Berlin/Hamburg. Das Tempo ist so hoch wie die Erneuerungsgeschwindigkeit der Branche: Heute unterschrieben die Internetanbieter Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Alice/Hansenet, Kabel Deutschland und Telefonica/O2 wegweisende Verträge. Darin verpflichten sich die fünf Branchengrößen, die in Deutschland 75 Prozent Marktanteil haben, die Kinderpornografie-Listen des Bundeskriminalamtes (BKA) zu beachten und die Seiten zu sperren.

Diese Liste des BKA mit etwa 1000 Seiten wird Tag für Tag aktualisiert. Und schon am Mittwoch soll das Bundeskabinett ein Gesetz anstoßen, in dem die Porno-Sperre im Internet für alle Anbieter geregelt wird.

Wer dann zu einer der Seiten surft, sieht plötzlich statt der Pornos ein Stoppschild. Familienministerium von Ursula von der Leyen (CDU) sagte: "Kinderpornografie im Internet ist Vergewaltigung von Kindern vor laufender Kamera." Die Vereinbarung mit der Internet-Wirtschaft sei ein Signal für ganz Europa. Die Verhandlungen mit dem Providern dauerten knapp vier Monate. Drei Anbieter stiegen aus, weil sie zunächst eine gesetzliche Grundlage für diesen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis verlangten.

Die Veranstaltung zur Selbstverpflichtung der Internetanbieter wurde am Freitag begleitet von Protesten von etwa 150 Vertretern von Internet-Verbänden und Datenschützern. Sie warnten vor einer "Internet-Zensur".

Das BKA haftet, falls statt einer Pornoseite eine harmlose Webseite gesperrt wird. In skandinavischen Ländern, wo es seit fünf Jahren auch für weniger harte Kinderpornografie Sperren gibt, gab es bislang einige Beschwerden, aber keine einzige Klage.

Das BKA steht vor der aberwitzigen Zahl von geschätzten 450 000 Internetseiten mit kinderpornografischem Inhalt, die täglich angeklickt werden. Die Zahl der erfassten Fälle stieg von 4545 im Jahr 2006 auf 8832 im Jahr 2007. Dabei ist die Dunkelziffer nach Expertenmeinung immens. Und auch die Opfer dieses Millionen-Geschäfts aus Porno-Klicks, Werbung und bezahlten Inhalten sind immer jünger. 80 Prozent sind unter zehn Jahre alt, 33 Prozent unter drei und zehn Prozent unter zwei.

Auch Kinder sind Nutzer pornografischer Inhalte. Bereits Achtjährige schauen nach Angaben der evangelischen Organisation für Sexualethik "Weißes Kreuz" Pornos. Unter den Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahren konsumierten bis zu 90 Prozent bereits pornografische Inhalte, berichtete der Sexualexperte Rolf Trauernicht. Er sagte, als internetsexsüchtig gälten in Deutschland rund 700 000 Menschen, die pro Woche mehr als 35 Stunden pornografische Online-Angebote nutzen.

Allerdings haben Datenschützer ernsthafte Bedenken gegen die Ermittlungen des BKA im Internet. Sie fürchten eine staatliche Kontrollen der privaten Internetnutzung. Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist sich bewusst, dass "auch die Kommunikation von Millionen völlig unbescholtener Internetbenutzer gefiltert werden" könnte.

Der Chaos Computer Club aus Hamburg hält das Blockieren der Porno-Seiten für nutzlos. "Solche Filtermaßnahmen lassen sich leichtens umgehen", sagte der Experte Matthias Mehldau dem Audiodienst der dpa. Sinnvoller sei es, bei den Internet-Anbietern anzusetzen, wo die Inhalte liegen. Dort müssten die Angebote offline geschaltet werden, forderte Mehldau.

Für von der Leyen ist die Bekämpfung der pornografischen und realen Gewalt gegen Kinder im Internet die letzte große Reform vor der Bundestagswahl. Sie setzt damit ihre eigene Idee fix um. Dabei überwand sie auch den Widerstand des Koalitionspartners und der Internetbranche. Ob die Praxis ihr Recht gibt und die Zahl der Delikte sinkt, muss sich zeigen.

Am Donnerstag spürten Ermittler des baden-württembergischen Landeskriminalamtes eine Internettauschbörse mit kinderpornographischen Inhalten auf. Der Schwerpunkt der Ermittlungen in Deutschland lag in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Weltweit wurden 9000 Ermittlungsverfahren eingeleitet, darunter unter anderem in den USA, in Brasilien und Neuseeland.