Familienministerin von der Leyen will Webseiten mit kinderporno-grafischen Inhalten blockieren. Doch Experten zweifeln an der Durchführbarkeit solcher Maßnahmen.

Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie", kündigte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) kürzlich in einem Abendblatt-Interview an. Ihr Vorschlag, bestimmte Internetadressen zu blockieren, sorgte für Wirbel. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) unterstützt diese Forderung. Viele Experten werfen allerdings die Frage auf, inwieweit eine Sperrung von Internetseiten technisch durchführbar und ob sie überhaupt sinnvoll ist.

Unstrittig ist, dass die zunehmende Flut der Kinderpornografie im Internet ein schwerwiegendes Problem ist. Die "Internet Watch Foundation" beklagt, dass es immer mehr kommerzielle Internetseiten gebe, auf denen die widerlichen Bilder frei käuflich sind. Allein für 2007 haben sie im englischsprachigen Raum 2755 solcher Webseiten gezählt. Das Problem: Die meisten Seiten werden nur kurz betrieben und wechseln dann Namen und Standort. Damit sind die Betreiber, die häufig der organisierten Kriminalität zugeordnet werden müssen, nur schwer dingfest zu machen. Nationale Polizeibehörden können diese schnellen Veränderungen über Staatsgrenzen hinweg oft nicht weiterverfolgen.

Auch Institutionen, die von der Internetwirtschaft eigens geschaffen wurden, um die Verbreitung solcher Bilder und Videos zu stoppen, haben bisher nur wenige Gesetzesverstöße ahnden können. Die Beschwerdestelle von "eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft" ist nach eigener Auskunft auf Informationen von Surfern angewiesen, um Informationen zwecks Strafverfolgung weitergeben zu können. Zwar gebe es jeden Tag Hunderte Beschwerden über anstößige Inhalte, doch nur wenige Hinweise seien verwertbar. Immerhin konnten allein in diesem Jahr 250 Meldungen zu kinderpornografischen Inhalten ans BKA weitergegeben werden, wie der juristische Berater von eco, Frank Ackermann, erklärt. 2007 seien es erst 141 gewesen. Ein Erfolg?

"Wenn wir einfach die Adresse einer Webseite mit bekanntermaßen illegalen Inhalten blockieren", widerspricht Andreas Maurer, Sprecher des Internet-Providers 1&1, "dann ziehen die Betreiber auf eine andere Seite um, wo sie von Interessierten problemlos wiedergefunden werden." Der Öffentlichkeit werde ein Schutz vorgegaukelt, der tatsächlich nicht greife. Vielmehr gelte es, die Inhalte an der Quelle zu bekämpfen, also auf den Servern zu löschen, auf denen sie gespeichert sind. "Dazu sind wir schon heute verpflichtet, sobald wir Kenntnis von solchen Inhalten erlangen", stellt Maurer klar. Diese Verpflichtung ist nicht auf pornografische oder volksverhetzende Inhalte beschränkt. Auch bei Markenrechtsverletzungen müssen die Provider sofort reagieren, wenn sie nicht selbst in Haftung genommen werden wollen.

Allerdings liegen illegale Inhalte häufig auf ausländischen Servern, auf die man von Deutschland aus nicht zugreifen kann. Material auf deutschen Servern lässt sich indessen nur schwer ausfindig machen. Zwar gibt es Programme, die verdächtige Bilder automatisch aussortieren. Die Fehlerquote solcher Softwarelösungen ist jedoch so groß, dass man mit immensem Aufwand nachsortieren muss, um etwa Fotos von medizinischen Fachseiten von der Filterung auszunehmen. "Ein Computerprogramm kann letzen Endes nie entscheiden, ob ein Nacktfoto Pornografie ist", so 1&1-Sprecher Maurer

Tatsächlich ist derzeit völlig unklar, welche Inhalte genau gesperrt werden sollen. So sperrten britische Provider kürzlich einen Wikipedia-Artikel zu einem Album der Hannoveraner Rockband Scorpions aus dem Jahr 1976, weil auf dem Cover eine nackte Halbwüchsige zu sehen ist. Und schon jetzt werden an die Provider Forderungen herangetragen, auch Glücksspielseiten vom Netz zu nehmen. Sperrungen von Internetinhalten, so gab die "Kommission für Jugendmedienschutz" (KJM) bereits Ende April in einem Gutachten zu bedenken, "greifen in erheblichem Umfang in die Meinungsfreiheit der Inhaltsanbieter, die Informationsfreiheit der Nutzer sowie die Berufsfreiheit der Internetprovider ein." Netzwerkspezialisten, die in dem Papier ebenfalls zu Wort kommen, warnen vor Beeinträchtigungen des Datenverkehrs im Dienste einer "reinen Symbolpolitik".

Tatsächlich werden illegale Inhalte mittlerweile immer öfter per E-Mail, Internet-Chat oder über sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke weitergeben. Da solche Netzwerke ohne zentrale Knotenpunkte funktionieren und Daten in zerstückelter Form von Nutzer zu Nutzer weitergegeben werden, sind sie kaum kontrollierbar. An Hintermänner und Teilnehmer heranzukommen ist schwierig. Denn im Gegensatz zu den offenen Internetseiten findet diese Art von Transaktion sozusagen hinter verschlossenen Türen statt, zu denen nur die Eingeweihten Schlüssel besitzen. Mit Sperrungen einzelner Seiten ist hier nur wenig zu bewirken.