Mehr als vier Jahre nach dem Start der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform ist klar: Der Umbau des Sozialsystems ist erfolgreich abgeschlossen, die Hoffnungen der Betroffenen blieben jedoch meist unerfüllt.

Berlin. Sie gilt als die größte Sozialreform der Nachkriegsgeschichte und versprach mit dem Ende des sozialpolitischen Kompetenz-Wirrwarrs den großen Wurf. Mehr als vier Jahre nach dem Start der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform ist inzwischen klar: Der Umbau des Sozialsystems ist zwar erfolgreich abgeschlossen, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vollendet. Die Hoffnungen von Millionen von Hartz-IV-Betroffenen auf ein besseres Leben blieben dennoch häufig unerfüllt. Für viele, die zum Start der Reform mit dem Existenzminimum auskommen mussten, hat sich kaum etwas verändert. Das geht aus der in Berlin vorgelegten Hartz- IV-Bilanz von rund 100 Arbeitsmarktforschern hervor.

Hartz-IV hat in den Augen der Wissenschaftler vor allem eines bewirkt: Es hat die Armut "nivelliert". Armut sei "gleicher" geworden, heißt es in dem knapp 300-seitigen Abschlussbericht des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Denn mit dem Aus für das Arbeitslosengeld droht Jobsuchern spätestens nach 12 oder 18 Monaten das Hartz-IV-Schicksal und damit der Bezug der knappen Grundsicherung. Dagegen hatte die frühere Arbeitslosenhilfe Langzeitarbeitslosen noch einen bescheidenen Wohlstand ermöglicht.

Umgekehrt hat die seit 2005 geltende Hartz-IV-Regelung vor allem Alleinerziehende aus der versteckten Armut geholt und ihnen eine Grundsicherung garantiert. Vor allem in einem Punkt fällt die Hartz-IV-Bilanz der Arbeitsmarktforscher ernüchternd aus: Selbst die Sozial- und Arbeitslosen-Beratung aus einer Hand das Kernstück der Reform hat die Chancen von Menschen am unteren sozialen Rand der Gesellschaft kaum verbessert. Denn viele von denen, die bis zum Reformstart 2006 Arbeitslosen- oder Sozialhilfe bezogen hatten, sind diesem Schicksal noch immer nicht entronnen. Chancen stelle Hartz IV eher für die dar, die erst später in Hartz-IV abgerutscht seien, berichtet das IAB, die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Und auch das Schicksal der Alleinerziehenden hat sich durch Hartz-IV kaum verbessert. 60 Prozent von ihnen waren auch 24 Monate nach dem Start der Reform auf staatliche Leistungen angewiesen.

Für die Forscher kommt dieses Ergebnis nicht sehr überraschend. Hatten sie doch in zahlreichen Begleitstudien erhebliche Mängel bei der Beratung und Betreuung von Hartz-IV-Betroffenen festgestellt. "Die Studien deuten darauf hin, dass die Fachkräfte oft nicht wirklich auf die Situation und die Bedürfnisse der Adressaten eingingen", bilanzieren die Forscher kritisch. Weitere Kritik an Vermittlern und Fallmanagern in den Jobcentern und kommunalen Beratungsstellen: Sie behandelten ihre Klienten von oben herab und fänden wegen Verständigungsproblemen keinen Zugang zu den Arbeitslosen. Bei Jugendlichen gingen die Betreuer nicht auf in individuelle Situation ein. Frauen würden zudem nicht ausreichend intensiv betreut.

Auch mit Ein-Euro-Jobs gehen die Forscher kritisch ins Gericht. Mit ihnen könnten zwar Menschen mit langer Erwerbslosigkeit wieder an ein normales Arbeitsleben herangeführt werden. Doch eine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt stellten diese Jobs selten dar. Verglichen mit anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten seien sie das "Schlusslicht". Derzeit sind rund 300 000 Arbeitslose in einem Ein- Euro-Job beschäftigt und damit nicht mehr als arbeitslos registriert.

In einem zentralen Punkt aber hat die Hartz-IV-Reform ihr Ziel erreicht: Arbeitslose sind nach Beobachtungen der Forscher bei den angebotenen Jobs inzwischen weniger wählerisch auch aus Sorge vor einem Abrutschen und einem Verbleib in Hartz IV. Sie akzeptierten weitaus häufiger als früher schlechter bezahlte und weiter entfernt gelegene Jobs, attestierten viele der befragten Unternehmen. Zugleich warnen sie aber auch davor, den Druck noch stärker zu erhöhen. Schließlich ständen gerade für Geringqualifizierte nicht immer die entsprechenden Jobs zur Verfügung. Zum anderen gebe es Langzeitarbeitslose, die aufgrund ihrer besonderen Probleme auf einen regulären Arbeitsplatz gar nicht vermittelbar seien.