Die Hartz-IV-Regelleistungen für Kinder bis 14 Jahren sind nach Ansicht des Bundessozialgerichts (BSG) verfassungswidrig. Die gesetzlichen...

Kassel. Die Hartz-IV-Regelleistungen für Kinder bis 14 Jahren sind nach Ansicht des Bundessozialgerichts (BSG) verfassungswidrig. Die gesetzlichen Regelungen verletzten den im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichheitsgrundsatz, die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip, erklärte das Gericht. Die obersten Sozialrichter haben daher die entsprechenden Vorschriften im Sozialgesetzbuch II dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt (Aktenzeichen: B 14/11b AS 9/07 und B 14 AS 5/08 R).

Sozialverbände und Gewerkschaften sehen nun die Regierung unter Druck, am tatsächlichen Bedarf der Kinder orientierte Regelsätze festzulegen. Kinder bis einschließlich 13 Jahren erhalten nach dem Gesetz 60 Prozent der Regelleistung eines erwachsenen, allein stehenden Hartz-IV-Empfängers - das sogenannte Sozialgeld. Das waren bei den fünf Klägern zum streitigen Zeitpunkt im Jahr 2005 monatlich jeweils 207 Euro. Nach der aktuellen Rechtslage sind es 211 Euro. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit erhalten mehr als eine Million Kinder Sozialgeld. Ob der Hartz-IV-Satz zur Sicherung des Existenzminimums der Kinder ausreicht, haben die Kasseler Richter allerdings nicht entschieden. Der Gesetzgeber habe es versäumt, den genauen Bedarf von Kindern zu ermitteln und zu definieren, befand BSG-Richter Peter Udsching. Daher könne auch nicht überprüft werden, ob der Gesetzgeber mit den Vorschriften seinen Gestaltungsspielraum überschritten habe.

Gleichwohl seien die Hartz-IV-Vorschriften für Kinder verfassungswidrig. Während Kinder mit Sozialgeld in Höhe von 60 Prozent der Regelleistung eines alleinstehenden Erwachsenen mit einer monatlichen festen Pauschale auskommen müssen, können Kinder von Sozialhilfeempfängern einen Mehrbedarf in bestimmten Bereichen geltend machen - das widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Kritisch merkte das Gericht auch an, dass es keine Altersdifferenzierungen für Kinder bis 14 Jahren gebe.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) wies gegenüber dem Hamburger Abendblatt darauf hin, dass die Große Koalition den Regelsatz für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren im Zuge des zweiten Konjunkturpakets von 60 auf 70 Prozent anhebt: "Das Urteil des Bundessozialgerichts zeigt: Es war gut und richtig, dass wir diese Überprüfung vorgenommen haben und dass die SPD darauf bestanden hat, im Rahmen des Konjunkturpakets einen dritten Kinderregelsatz einzuführen. Kinder zwischen sechs und 14 bekommen dadurch demnächst 35 Euro mehr im Monat. Mein Ministerium überprüft das Sozialgeld für Kinder regelmäßig. Wenn es Anpassungsbedarf gibt, handeln wir. Das ist auch der Grund, warum ich schon im letzten Jahr ein 100-Euro-Schulbedarfspaket für jedes Kind durchgesetzt habe."