Mit einem Zehn-Punkte-Plan will die Familienministerin in kurzer Zeit 160.000 zusätzliche Plätze schaffen. Die Kommunen sind skeptisch.

Berlin. Kristina Schröder nimmt sich 25 Minuten Zeit, um zu zeigen, dass sie doch nicht ganz so konservativ ist, wie manche vielleicht vermuten. Seit Wochen verteidigt die Bundesfamilienministerin das geplante Betreuungsgeld und erntet dabei viel Kritik, sie bediene damit vor allem ein werteorientiertes, traditionelles Weltbild. Jetzt geht es der CDU-Politikerin aber darum, den Eltern mit einem modernen Familienverständnis zu beweisen, dass auch sie jemanden in Berlin haben, der sich um sie kümmert.

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So ähnlich wirkt es, als Schröder an diesem Mittwochmorgen ihre Strategie für einen beschleunigten Kita-Ausbau erklärt. Das Problem: Bis 2013 soll es für Kleinkinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf Kita-Plätze geben. So wurde es auf dem Krippengipfel im Jahr 2007 beschlossen. Allerdings funktioniert der Ausbau der Kindergärten nicht so gut, wie es eigentlich nötig wäre: Rund 14.000 Erzieher, 16.000 Tagesmütter und an die 160.000 Plätze fehlen noch, um die Garantie im kommenden Sommer erfüllen zu können. Das sind noch mal 30.000 Plätze mehr als eigentlich angenommen - denn anders als 2007 prognostiziert, werden zum Stichtag erster August nicht nur 750.000, sondern 780.000 Kleinkinder einen Kita-Platz benötigen. Und da man eine Krippe nicht über Nacht aus dem Boden stampfen und mit qualifiziertem Personal versehen kann, drängt die Zeit. Der Rechtsanspruch für den erwarteten Bedarf von nun 39 Prozent der unter Dreijährigen lasse sich "nicht überall erfüllen", warnt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, vorsorglich.

Schröder gibt sich trotzdem betont optimistisch. "Am Rechtsanspruch werden wir nicht rütteln", verspricht sie. Man könne das vereinbarte Ziel erreichen, "aber nur, wenn wir uns alle anstrengen". Alle, das sind Bund, Länder und Kommunen, die sich 2007 auf den Rechtsanspruch geeinigt haben. Zwölf Milliarden Euro soll die gesamte Maßnahme kosten, je ein Drittel tragen die drei Vertragspartner. Schröder ist sich aber sicher: Ab 2013 werde keiner mehr fragen, wer für die Umsetzung zuständig ist, "sondern nur, ob es geklappt hat". Und klappen soll das Kita-Wunder mithilfe eines Zehn-Punkte-Plans, den die Ministerin erarbeitet hat.

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So wird der Bund - befristet auf ein Jahr - Lohnkostenzuschüsse für Tagesmütter finanzieren, um ihre Festanstellung zu erleichtern. Hierzu werden in einem ersten Schritt ab August 2012 bis Ende 2014 Fördermittel in Höhe von zehn Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt. Beim Ausbau vor Ort sollen zinsgünstige Kredite bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) helfen, die der Bund mit einem Zinszuschuss in Höhe von 35 Millionen Euro unterstützt. All das sei nur ein erster Schritt, wie Schröder sagt. Auf "allen Ebenen" müsse zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt werden - vor allem für die 30.000 zusätzlichen Plätze, die noch geschaffen werden müssen.

Doch klar ist auch: Ihr sind die Hände gebunden. Bundesfinanzminister und Sparkommissar Wolfgang Schäuble (CDU) reagiert geradezu allergisch auf Forderungen nach zusätzlichem Geld - alle Ressorts spüren das.

Deshalb sind die weiteren Elemente von Schröders Aktionsplan vor allem Dinge, die kein Geld kosten. So ist eine stärkere Förderung von Betriebskindergärten geplant, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Außerdem sollen zusätzliche Fachkräfte für die Kinderbetreuung gewonnen und qualifiziert werden. Angestrebt werde auch eine bessere Bezahlung für sie. "Das vor uns liegende Jahr muss zum Jahr des Kita-Ausbaus werden", fordert Schröder.

Auch wenn ihr Vortrag dieses Mal die konservative Seele vernachlässigt und dafür die Betreuungsgeld-Gegner besänftigen soll: Die zusätzlichen Investitionen des Bundes in den Kita-Ausbau fallen im Vergleich eher gering aus. Die Millionenbeträge für Lohnkosten und KfW-Kredite kommen nicht an die geplanten zwei Milliarden Euro für das Betreuungsgeld heran. Die SPD hat ausgerechnet, dass für diese Summe rund 200.000 Kita-Plätze geschaffen werden könnten. Auch die Vertreter von Städten und Gemeinden, die an diesem Tag mit Schröder auf dem Podium sitzen, sagen vorsichtig, sie würden es besser finden, doch erst mal den Kita-Ausbau über die Bühne zu bringen, bevor eine weitere Leistung Geld verschlingt - vor allem angesichts eines Schuldenberges von zwei Billionen Euro, wie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg betont.

Just an diesem Tag meldet sich auch die EU-Kommission zu Wort: Das Betreuungsgeld berge das Risiko, "dass ein neuer Negativ-Anreiz für Eltern geschaffen wird, was die Beteiligung am Arbeitsleben angeht", heißt es in einem Gutachten zur deutschen Reformpolitik, das die Brüsseler Behörde gestern vorlegte. Gerade das EU-Ziel einer höheren Frauenerwerbsquote werde auf diese Weise konterkariert. Schröders Gesetzentwurf soll am 6. Juni im Kabinett verabschiedet werden. Das Betreuungsgeld ist für alle Eltern gedacht, die ihr Kind nicht von einer öffentlich geförderten Kita, Krippe oder Tagesmutter betreuen lassen. Die neue Leistung soll zunächst 100, dann 150 Euro im Monat betragen.