Gesundheitsminister Daniel Bahr fordert eine bessere Vergütung. Hohe Haftpflichtprämien bedrohen die Jobs vieler Geburtshelferinnen.

Berlin/Hamburg. Manchmal sagt der Ehemann von Natascha Neben einen neckischen Satz zu ihr: "Mensch, du hast ja echt ein tolles Hobby." Er denkt dann etwa an den Augenblick, wenn eine Mutter ihr Kind zum ersten Mal sieht, die Wellen der Aufregung davor, die mit Tipps, Übungen und warmen Worten besänftigt werden. Und die Zeit nach der Geburt, wenn das Kind wächst - und die Eltern auch noch einmal ein bisschen erwachsener werden. Natascha Neben, 39 Jahre alt, ist Hebamme. Und eigentlich ist das nicht ihr Hobby, sondern ihr Beruf.

Der ist zwar spannend und wichtig, kostet aber viel Zeit. Und bringt kaum Geld. Seit Oktober 2011 ist Neben nicht mehr in einem Hamburger Krankenhaus angestellt, sondern sie hat sich selbstständig gemacht mit einer Praxis in Bergedorf. Und sie hilft jetzt nicht mehr unmittelbar bei der Geburt. Das kann sie sich nicht mehr leisten. "Allein mehr als 4000 Euro Berufshaftpflicht müsste ich ab Juli zahlen, um auch Geburtshilfen anzubieten", sagt Neben. Jetzt zahlt sie etwa 500 Euro pro Jahr für die Versicherung - und weicht auf das aus, worauf viele Hebammen in den vergangenen Jahren umgestiegen sind: Neben bietet Kurse zur Vorbereitung an, macht Vorsorgeuntersuchungen. 25 Euro bekommt sie für 40 Minuten Arbeit, brutto. Sie fährt zur Wochenbettbetreuung zu den Müttern nach Hause, hier beträgt der Satz 27 Euro.

+++Hebammen in Not: Arbeit lohnt sich nicht mehr+++

Und jetzt ist Natascha Neben auch Lehrerin für Schwangeren-Yoga. "Da kann ich zumindest die Preise und Angebote selbst festlegen." Es ist eines der wenigen Felder, auf denen die Krankenkasse keine Vorschriften macht. Die Hamburgerin ist kein Einzelfall. Immer mehr freiberufliche Hebammen in Deutschland müssen sich wie Natascha Neben von ihrem Kerngeschäft verabschieden. Denn die Steigerung der Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen ist nach einem vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten drastisch: Während sie 2002 noch unter 500 Euro pro Jahr lagen, beliefen sie sich 2011 auf 3689 Euro - eine weitere Erhöhung um 15 Prozent ist für diesen Juli zu erwarten.

Grund ist laut Andrea Sturm vom Hebammen Verband Hamburg einerseits die Verteuerung medizinischer Geräte und Therapien, aber auch die Zunahme von Großschäden bei der Geburt, etwa Behinderungen durch Sauerstoffmangel oder Neugeborenengelbsucht. All das muss von dem vergleichsweise kleinen Versichertenkollektiv der Hebammen getragen werden: Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes gibt es hierzulande rund 18 000 Geburtshelferinnen, rund 60 Prozent davon arbeiten freiberuflich.

+++Weniger freiberufliche Hebammen+++

Nur jede fünfte Freiberuflerin bietet wegen der hohen Prämien heute überhaupt noch Geburtshilfe an. Freiberufliche Hebammen erzielten 2010 im Durchschnitt einen Umsatz von 23 900 Euro - die hohen Versicherungskosten machen sich in ihrer Geldbörse also massiv bemerkbar. Auch wenn laut Studie nur 1,3 Prozent der Hebammen ihren Job deshalb schon an den Nagel gehängt haben, denkt etwa jede Vierte freiberufliche Hebamme über Berufsaufgabe nach. Der Hamburger Verband berichtet von immer mehr Anrufen von Frauen, die keine Beleghebamme finden, die sie in die Klinik begleitet. Die existenzbedrohende Lage für die Geburtshelferinnen bedeutet also eine Einschränkung der Eltern: Nicht immer können sie frei wählen, wer die Geburt wie und wo begleiten soll, vor allem die Möglichkeiten für Hausgeburten sind eingeschränkt. Das Angebot an Hebammen-Leistungen hat sich laut Studie des Ministeriums jedoch nicht verschlechtert

"Die Politik und die Krankenkassen vergessen, dass jede freiberufliche Hebamme ein kleines Unternehmen ist", sagt Natascha Neben. Sie muss um Mütter werben, Telefonate führen, Buchhaltung, Briefe an die Versicherung beantworten und die Post erledigen. Sie kommt so nicht selten auf 50 Arbeitsstunden pro Woche. Das Geld, sagt sie, sei am Ende des Monats dennoch nicht mehr als bei einer Dreiviertelstelle.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat sich deshalb jetzt für eine bessere Vergütung der Hebammen ausgesprochen. Die Krankenkassen müssten die Sorgen der Hebammen, die durch weiter steigende Beiträge für die Haftpflicht belastet seien, ernst nehmen, sagte er gestern am Rande eines Treffens mit FDP-Gesundheitspolitikern. "Ich möchte nicht, dass Hebammen wegen steigender Haftpflichtprämien aufgeben müssen." Ziel müsse sein, die freie Wahl der Geburtshilfe und eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten.

Für Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) ist es überfällig, sich die Situation freiberuflicher Hebammen genauer anzuschauen - immerhin seien die sprunghaft steigenden Haftpflichtversicherungsprämien seit Längerem bekannt. "Erforderlich ist aber nicht nur eine höhere Vergütung zum Ausgleich der Haftpflichtversicherungsprämien, genauso wichtig ist eine Vereinbarung über qualitätssichernde Maßnahmen, um Frauen, die es wünschen, eine möglichst ungefährdete Hausgeburt zu ermöglichen", sagte sie dem Abendblatt.

Im Vergleich sieht die Versorgung in der Hansestadt aber noch verhältnismäßig gut aus: Hinter Bremen hat Hamburg die zweithöchste Hebammen-Dichte: Auf 1000 Geburten kommen 20,6 Hebammen. Nur halb so viele sind es in Brandenburg.