Stabilitätsrat zwingt vier Bundesländer zum Sanieren. Kieler Koalition sieht sich bestätigt. Ziel bleibe der Abbau des strukturellen Defizits.

Hamburg. Die schleswig-holsteinische Landesregierung muss in den kommenden Jahren massiv sparen. Der Stabilitätsrat erklärte gestern für das nördlichste Bundesland und für drei weitere die drohende Haushaltsnotlage. Dem Gremium, das die Haushaltsführung von Bund und Ländern überwacht, gehören der Bundesfinanzminister, die Länderfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister an. Eine Haushaltsnotlage droht, wenn die Finanzlage eines Bundeslandes oder des Bundes bestimmte Schwellenwerte überschreitet, zum Beispiel beim Verhältnis von neu aufgenommenen Schulden zu den Ausgaben.

Da mit der Erklärung der drohenden Haushaltsnotlage außer einer externen Haushaltsaufsicht vorerst keine Sanktionen verbunden sind, geht es vor allem um eine Prangerwirkung. Dennoch sieht sich die schwarz-gelbe Landesregierung in Kiel durch den Beschluss bestätigt. Die formelle Feststellung der drohenden Notlage bedeute nicht, dass sich die Lage für Schleswig-Holstein jetzt plötzlich zugespitzt habe, meinte Landesfinanzminister Rainer Wiegard. "Es ist bekannt, dass unsere Haushaltslage prekär ist, weil uns die Zinsen für die Schulden früherer Regierungen finanziell erdrosseln. Deshalb haben wir eine Schuldenbremse in unsere Landesverfassung geschrieben und die Konsolidierung auf den Weg gebracht. Das erkennt der Stabilitätsrat ausdrücklich an", erklärte der Kieler Finanzminister.

Vorrangiges Ziel bleibe weiterhin der Abbau des strukturellen Defizits von 1,32 Milliarden Euro bis 2020. Danach kann theoretisch der Abbau des Schuldenbergs beginnen, der sich nach Angaben des Finanzministeriums in Kiel derzeit auf etwa 26,5 Milliarden Euro beläuft. Allein für Zinszahlungen sind 959 Millionen Euro im Haushalt 2011 vorgesehen.

Das Land hat sich im Doppel-Haushalt für die Jahre 2011 und 2012 bereits strenge Sparvorgaben gesetzt, daher sieht Wiegard die Sanierungsvorgaben des Stabilitätsrates vorerst als erfüllt an: "Trotz aller Schwierigkeiten sind wir auf einem guten Weg." Die Konsolidierung ist auch Voraussetzung dafür, dass die Bundesländer Finanzspritzen erhalten - im Fall von Schleswig-Holstein handelt es sich dabei um rund 80 Millionen Euro jährlich. Der Stabilitätsrat verlangt allerdings eine über fünf Jahre dauernde Sanierung, daher sind die Länder dazu angehalten, auch mittelfristig weiter zu sparen.

Auch der Vorsitzende der schleswig-holsteinischen Landesgruppe in der CDU-Bundestagsfraktion, Ole Schröder, sieht sein Bundesland auf dem richtigen Weg. "Schleswig-Holstein wird seiner Verantwortung wie kein anderes Bundesland gerecht und hat bereits massive Sparmaßnahmen umgesetzt, um auf die drohende Haushaltsnotlage zu reagieren", sagte er dem Abendblatt. Die jetzige Erklärung des Stabilitätsrates sei ein formaler Akt und eine Voraussetzung dafür, dass Schleswig-Holstein Konsolidierungshilfen erhalte. "Wichtig ist, dass der eingeschlagene Weg auch in Zukunft fortgeführt wird und nicht zu der alten Verschuldungspolitik unter Rot-Grün zurückgekehrt wird", sagte Schröder.

Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) geht nun davon aus, dass die Bevölkerung die bevorstehenden Konsolidierungsmaßnahmen spüren wird: "Die betroffenen Bundesländer müssen jetzt Sanierungsprogramme vorlegen, die vermutlich harte Einschnitte für die Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Länder bedeuten", sagte Tschentscher dem Abendblatt. In Hamburg sei man bemüht, ähnliche Entwicklungen durch eine vorausschauende Haushaltssanierung zu vermeiden. Das Konzept sehe eine sparsame Haushaltsführung und eine langfristig ausgerichtete Begrenzung des Ausgabenanstiegs vor. "Damit kann trotz der Überschuldung Hamburgs der Haushalt saniert und die Schuldenbremse des Grundgesetzes 2020 erreicht werden, ohne schwere Einschnitte bei der Bildung, den Sozialleistungen und der städtischen Infrastruktur zu riskieren."

Auch Berlin steht nun unter verstärkter Finanzaufsicht von Bund und Ländern. Der Beschluss sei keine Überraschung gewesen, sagte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). "Wir wussten, wo es hakt - besonders durch den extrem hohen Altschuldenstand -, und haben mit den Haushaltseckwerten bereits den richtigen Sanierungskurs eingeschlagen", so der Senator. Nußbaum hatte schon im April strikte Sparmaßnahmen für das mit 63 Milliarden Euro verschuldete Berlin angekündigt, das nun ebenfalls auf 80 Millionen Euro im Jahr hoffen könne.