Der Ausbau grüner Energien könnte den Atomausstieg erleichtern. Höhere Vergütung für Strom aus Windparks und Geothermie soll dazu Anreiz liefern

Hamburg. Der Anteil des Atomstroms im deutschen Netz ist auf einem geradezu historischen Tiefstand. Doch die Energiewende, die die Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima versprochen hat, ist damit noch längst nicht vollzogen.

Gestern traf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vertretern von Kirchen und mit Repräsentanten von Umwelt- und Naturschutzverbänden sowie des Deutschen Mieterbundes. Wie die Nachrichtenagentur dapd von Teilnehmern erfuhr, habe Merkel dabei angedeutet, dass sich die schwarz-gelbe Koalition für die Beratung der neuen Atom- und Energiegesetze offenbar doch mehr Zeit lassen will. Das Paket soll wahrscheinlich nicht am 17. Juni, sondern erst am 8. Juli abschließend im Bundesrat verabschiedet werden. Hintergrund des ursprünglich geplanten, strafferen Zeitplans war das Auslaufen des Atom-Moratoriums zum 15. Juni. Mit dem neuen Atomkonzept soll nicht nur der Zeitrahmen für den Ausstieg, sondern auch das Schicksal der derzeit abgeschalteten acht Meiler bestimmt werden.

Weil der Ersatz für Kernkraftwerke, die in Zukunft vom Netz gehen, verstärkt von den Erneuerbaren Energien geliefert werden soll, will Zeitungsberichten zufolge Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Förderung für erneuerbare Energien neu justieren. Der Ausbau der Windenergie auf See und die Geothermie sollen durch weitere finanzielle Anreize forciert werden, berichteten mehrere Zeitungen unter Berufung auf Eckpunkte des Umweltministeriums für die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Bei Windanlagen an Land und der Stromerzeugung durch Biomasse seien hingegen Kürzungen der Förderung geplant.

Die Bundesregierung wolle der Windenergie auf See "zum Durchbruch" verhelfen, da sie langfristig neben der Winderzeugung an Land zur "wichtigsten Säule" beim Ausbau der erneuerbaren Energien werden soll, zitierte die "Passauer Neue Presse" aus dem Papier. Bei der Geothermie soll die Grundvergütung um zwei Cent pro Kilowattstunde aufgestockt werden. Bei der Stromerzeugung aus Biomasse solle indes das Vergütungsniveau "um zehn bis 15 Prozent" abgesenkt werden, insbesondere bei Kleinanlagen. Auch für Strom aus Windparks an Land ist geplant, die Förderung durch erhöhte Vergütung schneller abzubauen. Das "Handelsblatt" berichtete, die Anfangsvergütung für neue Offshore-Windkraftanlagen solle von 13 auf 15 Cent je Kilowattstunde steigen.

"Die Eckpunkte der Bundesregierung sehe ich kritisch", sagte SPD-Bundestagsfraktionsvize Ulrich Kelber dem Hamburger Abendblatt. "Vorgesehen ist beispielsweise, die sowieso schon hohe Vergütung von Offshore-Windstrom noch weiter zu erhöhen. Das sind Mehrkosten, ohne mehr Ökostrom zu bekommen." Stattdessen müsse die Regierung die billigere Onshore-Windkraft fördern und Speichertechnologien belohnen, forderte der SPD-Politiker.

Die geplante Energiewende hat unterdessen in Bayern für einen Eklat innerhalb der schwarz-gelben Landesregierung gesorgt. Umweltminister Markus Söder (CDU) forderte, 2020 das letzte AKW abzuschalten. Seinen Vorstellungen nach sollen steuerliche Änderungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, bei der Erbschaftssteuer und der energetischen Sanierung von Häusern für verstärkte Anreize zur Energiewende sorgen. Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) will allerdings noch ein eigenes Konzept für die Energiewende vorlegen. Er hat das Ausstiegsdatum 2020 bereits als "völlig unrealistisch" kritisiert.