Die Grünen in Nordrhein-Westfalen reagieren irritiert auf die Äußerungen des FDP-Chefs. Die interne Kritik an Guido Westerwelle nimmt zu.

Hamburg. Am Parteichef soll es nun nicht mehr liegen. Nachdem sich die FDP seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai gegen Gespräche mit SPD und Grünen verwehrt hatte, sendete Guido Westerwelle am Wochenende erstmals ganz andere Signale in Richtung Düsseldorf. Der "Welt am Sonntag" sagte er: "Welche Koalition wir in Nordrhein-Westfalen am Ende sehen werden, bleibt abzuwarten. Die FDP-Führung wird dort verantwortungsbewusst und richtig entscheiden. " Kaum waren die Worte veröffentlicht, schien eine Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP wieder möglich. Theoretisch zumindest - denn CDU und Sozialdemokraten wollen weiter miteinander sprechen und peilen nach wie vor eine Große Koalition an.

Doch Westerwelles Kurswechsel blieb bei SPD und Grünen nicht ohne Reaktion. Die nordrhein-westfälischen Grünen stellten umgehend Bedingungen an eine Zusammenarbeit mit den Liberalen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann sagte dem Hamburger Abendblatt: "Sollte nun doch die NRW-FDP die Ampel auf Grün stellen und Studiengebühren abschaffen, Gemeinschaftsschulen ermöglichen, konsequenten Klimaschutz umsetzen, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen stärken und echten Nichtraucherschutz wollen, sind wir gespannt, ob Herr Pinkwart offiziell auf SPD und Grüne zugeht und um Sondierung bittet." Löhrmann zeigte sich aber auch irritiert über die Aussagen Westerwelles. "Die neuerliche Kehrtwende des Guido Westerwelle offenbart das ganze Chaos der FDP. Sie irrlichtert zwischen Machtkämpfen, Realitätsverlust und politischer Orientierungslosigkeit", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende. Löhrmann betonte: "Regieren braucht Klarheit und Verlässlichkeit."

Die SPD lobte die Liberalen. Fraktionsvize Hubertus Heil sagte: "Wenn die FDP tatsächlich an gute sozialliberale Traditionen anknüpfen will, dann ist das gut für Deutschland." Es werde "höchste Zeit, dass sich die FDP der Realität eines Fünf-Parteien-Systems stellt und aus der babylonischen Gefangenschaft mit der CDU befreit". Vor Beginn der Verhandlungen von SPD und CDU hatte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles noch einmal an die FDP appelliert, dass es im Falle eines Scheiterns der Gespräche um eine Große Koalition nicht sein könne, dass sich die FDP Sondierungen über eine Ampelkoalition weiter verweigerten.

Konkreter noch als Westerwelle wies FDP-Generalsekretär Christian Lindner die Entscheidung über eine Ampel-Koalition dem FDP-Landesverband zu. Mit Blick auf die Wahlprogramme sei er zwar skeptisch, was eine Ampel-Koalition angehe, sagte er dem Deutschlandfunk. "In Nordrhein-Westfalen sehe ich weder die politischen Voraussetzungen noch dass es ein hinreichendes Vertrauen der politischen Führungskräfte gibt." Prinzipiell sei die FDP aber zu Koalitionen mit SPD und Grünen bereit.

Innerhalb der Liberalen wirbt vor allem Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vehement für eine neue Offenheit der FDP. Dem "Spiegel" sagte sie: "Die FDP ist nicht der geborene Partner der Union." Sie kritisierte ihre Parteifreunde in NRW, die sich bislang geweigert haben, über eine Ampelkoalition auch nur zu sprechen: "Gespräche kategorisch auszuschließen finde ich problematisch."

Immer problematischer findet die Justizministerin auch die Art und Weise, wie ihre Partei auftritt und welche Positionen sie vertritt. "Ich will nichts beschönigen, der Zustand der FDP ist nicht gut", sagte sie dem "Spiegel". Auf die Frage, ob Westerwelle der richtige Parteivorsitzende sei, antwortete sie: "Er ist der gewählte Parteivorsitzende." In ihrer Aussage, auch ein Vorsitzender könne dazulernen, steckte die unverhohlene Aufforderung, einen grundlegenden Kurswechsel einzuleiten. Leutheusser-Schnarrenberger, die dem linksliberalen Flügel der FDP zugerechnet wird, warb für eine "neue liberale Agenda". Bei der Regulierung des Finanzmarktes etwa dürfe sich die Partei nicht länger von anderen treiben lassen.

Leutheusser-Schnarrenbergers Generalangriff auf die Linie des Parteichefs kommt zu einem Zeitpunkt, bei dem die FDP in einer Umfrage inzwischen gar auf drei Prozent Zustimmung gefallen ist Auch in der Sonntagsfrage rangiert die Partei derzeit nur zwischen sechs und sieben Prozent gegenüber 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl.