Ministerpräsident Wladimir Putin wirft den USA vor, zu Massenprotesten gegen die umstrittene russische Parlamentswahl aufgerufen zu haben.

Hamburg. Es mag vielleicht noch kein politischer Frühling sein, doch der Protest keimt stärker auf als gedacht: Nach der Parlamentswahl am Sonntag demonstrieren Regierungskritiker weiterhin gegen Wahlfälschung und Korruption der Partei Geeintes Russland. Die Partei des Ministerpräsidenten Wladimir Putin beansprucht für sich eine knappe, aber immer noch absolute Mehrheit von etwas über 50 Prozent der Stimmen.

+++ Putin-Proteste gehen weiter +++
+++ Russland kündigt Stationierung von Raketen an +++

Unterstützung erhalten die Regierungskritiker nun von Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow. Der frühere Sowjetpräsident hat die Regierung zu Neuwahlen aufgefordert: "Die Führung des Landes muss anerkennen, dass es zahlreiche Verstöße und Manipulationen gegeben hat, und dass die veröffentlichten Ergebnisse nicht den Willen der Wähler wiedergeben."

Putin wirft derweil den USA vor, zu Massenprotesten gegen die umstrittene Parlamentswahl aufgerufen zu haben. Die Demonstranten „haben dieses Signal erhalten und dann mit Unterstützung des US-Außenministeriums die aktive Arbeit angefangen“, sagte Putin am Donnerstag nach Angaben der Agentur Interfax. Putin hatte in der Vergangenheit dem Westen immer wieder vorgeworfen, die Opposition und Menschenrechtler in Russland zu finanzieren und gegen die Staatsmacht aufzuhetzen.

Menschenrechtsorganisationen berichten, dass Demonstranten massenweise in Gewahrsam genommen werden und teilweise stundenlang ohne Wasser und Essen ausharren müssen. Trotz dieses Vorgehens sei die Bürgerbewegung nicht mehr aufzuhalten, meint Jürgen Hufeland, Vorsitzender der deutsch-russischen Gesellschaft in Hamburg. "Aus meiner Sicht ist der Protest extrem positiv zu werten. Denn er bedeutet, dass die jahrelange Angst vor Autorität nicht mehr überwiegt und die Menschen politischer geworden sind", sagt er. Dieses neue Selbstvertrauen hänge zum Großteil auch mit dem Erstarken der russischen Bloggerszene zusammen, die über das Internet schnell Informationen verbreiten könne. Zwar seien am Wahltag einige Online-Foren gesperrt worden, dauerhaft ließe sich das aber nicht durchsetzen.

"Der russische Bürger hat erkannt, dass er etwas bewegen kann - und diese Erkenntnis ist nicht mehr zu stoppen", meint der Russland-Kenner. Nach Jahren der Politikverdrossenheit hätten Bürger jetzt wieder den Mut, öffentlich zu protestieren und damit eine politische Verantwortung zu übernehmen.

"Es hat nicht die Dimensionen wie in Nordafrika und der arabischen Welt, aber es ist ein Anfang. Für mich hat es etwas Frühlingshaftes", sagt Hufeland.

Überraschend kündigte Russland gestern an, Flugabwehrraketen ins Gebiet Kaliningrad (Königsberg) zu verlegen. Moskau reagierte damit auf den US-Plan, eine Raketenabwehr in Europa zu stationieren. Der Kreml sieht darin eine Bedrohung seiner Sicherheit. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bezeichnete die Stationierung als "Geldverschwendung". In Russland haben derweil am Mittwoch den dritten Tag in Folge hunderte Menschen gegen die Regierungspartei und mutmaßlichen Wahlbetrug protestiert. Zahlreiche Demonstranten in Moskau und St. Petersburg wurden festgenommen. In beiden Städten gingen jeweils etwa 300 Menschen auf die Straße, damit offenbar weniger als an den Vortagen.