Paris. Der Klimavertrag von Paris führt die Welt in Richtung erneuerbare Energien. Es ist der Beginn einer Transformation. Ein Kommentar.

67 Atombombentests haben die Marshallinseln überstanden. Doch gegen den steigenden Meeresspiegel im Nichts des Pazifischen Ozeans hat das Land keine Chance. Der Weltklimavertrag, dem Vertreter von über 190 Staaten nach einem dramatischen Verhandlungsmarathon zustimmten, wird womöglich nicht ausreichen, um den Untergang des Inselstaates zu verhindern.

Dennoch werden die Marshallinseln mit ihrem Namen für immer mit dem Ringen um den ersten weltweit verbindlichen Klimaschutzvertrag verbunden sein. Als jenes Land, das stellvertretend für alle von den Folgen des Klimawandels bedrohten Länder ein neues Zeitalter in den Klimaverhandlungen erzwang. Als jenes Land, das als Winzling die Welt in Richtung erneuerbare Energien schubste, indem es sich stoisch weigerte, sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben.

Das Abkommen ist ein Kompromiss

Der Klimadeal von Paris hat Schwächen. Weniger waren es die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die das Dokument geprägt haben. Das Papier trägt die Handschrift der französischen Konferenzpräsidentschaft, die geschickt taktierte, damit ein Text zur Abstimmung vorlegt werden konnte. Es trägt die Handschrift mächtiger Lobbyverbände, die den Ausstieg aus fossilen Energien torpedierten. Das Abkommen ist ein Kompromiss, gewiss. Aber es ist ein historischer Durchbruch, der erste weltweite Vertrag, um den die Staatengemeinschaft 23 Jahre lang gerungen hat.

Der Klimapoker von Paris brachte die Erkenntnis, dass die bisherige Zweiteilung der Welt so nicht mehr fortbestehen kann. In den Klimaverhandlungen, wie sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten verliefen, standen Industrienationen den Entwicklungsländern gegenüber. Die einen trugen die historische Schuld am Klimawandel, weil sie durch den Ausstoß von Treibhausgasen Wohlstand erlangt hatten. Die armen Länder forderten, für die Folgen der Umweltveränderungen finanziell entschädigt zu werden.

Schwellenländer wie China, mittlerweile an den Gesamtemissionen gemessen der größte Klimasünder der Welt, wollen an dieser Zweiteilung festhalten. Auch Indien fürchtet Wachstumsgrenzen. In keinem anderen Land wächst die Wirtschaft so schnell wie dort. Und doch steht die größte Demokratie der Welt vor der Aufgabe, Millionen Menschen aus der Armut zu führen.

In dem Vertragsentwurf ist das Ziel verankert, den Anstieg der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, ihn möglichst sogar auf 1,5 Grad zu drücken. Das geht nur mit vereinten Kräften – mit ehrgeizigeren Klimazielen aller Staaten und mit einem weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien.

Der Abschied von Kohle und Gas ist schwer

Doch die dramatischen Nächte in Paris zeigten, wie schwer es der Staatengemeinschaft fällt, den Umbau einer Weltwirtschaft anzugehen. Eine Welt, die ohne Kohle, Öl oder Gas auskommen will? Niemand stemmte sich so sehr gegen den Begriff der Dekarbonisierung wie Saudi-Arabien. Der Wüstenstaat bestreitet knapp 90 Prozent seiner Exporte durch Öl und Gas. Was geschieht mit dem sozialen Frieden im Königreich, wenn diese Einnahmen wegbrechen? Angesichts der arabischen Krisen mag man sich das in Europa nicht vorstellen wollen.

Der Vertrag von Paris ist der Beginn dieser großen Transformation. Welches Signal dieses Abkommen aussendet, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, wenn die Börsen öffnen. Wohin fließt das Kapital – in erneuerbare Energien, weg von der Kohle?

Wie wertvoll das Abkommen zum Schutz der Atmosphäre wirklich ist, hängt davon ab, ob die Staaten ihre Versprechen umsetzen. Auch Deutschland. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks stellte sich in Paris demonstrativ an die Seite von Tony de Brum, dem Außenminister der Marshallinseln. Daheim in Berlin muss sie nun mitgestalten, wie die Bundessregierung den Ausstieg aus der Kohle angehen will. Am Tag nach Paris. In diesem Winter, der sich wie Frühling anfühlt.