Athen/Brüssel. Athen zahlt 6,2 Milliarden Euro an EZB und IWF zurück. Spar- und Reformmaßnahmen laufen an. Warteschlangen an wiedereröffneten Banken.

Das hoch verschuldete Griechenland hat nach dem Empfang von gut sieben Milliarden Euro aus dem EU-Rettungstopf umgehend fällige Schulden bei den internationalen Gläubigern beglichen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur zahlte Athen der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) am Montag mehr als sechs Milliarden Euro zurück.

Nach drei Wochen öffneten zu Wochenbeginn auch die Banken wieder, vor denen sich lange Schlangen bildeten. Zugleich wurde das Leben mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 13 auf 23 Prozent spürbar teurer.

Völlig überraschend änderte die Regierung die Tagesordnung für die Parlamentsdebatte am kommenden Mittwoch. Sie strich angesichts von Protesten der Landwirte das ursprünglich vorgesehene Votum über die Abschaffung fast aller Steuervergünstigungen für griechische Bauern - eine auch in der Regierungskoalition höchst umstrittene Maßnahme.

EU-Kommission bestätigt Zahlung an Athen

Weitere Details der Rentenreform sollen entgegen früheren Planungen ebenfalls nicht bei dieser Sitzung behandelt werden. Am vergangenen Donnerstag hatten bei einer ersten Abstimmung über Spar- und Reformgesetze fast 40 Abgeordnete der regierenden Linkspartei Syriza Ministerpräsident Alexis Tsipras die Gefolgschaft verweigert.

Die dpa erfuhr aus Kreisen des griechischen Finanzministeriums, Athen habe rund 4,2 Milliarden Euro an die EZB sowie rund 2 Milliarden Euro an den IWF überwiesen. Bei der EZB-Rate geht es um Staatsanleihen, die von der Zentralbank gehalten werden, in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen 0,7 Milliarden Euro Zinsen inklusive Risikoaufschlag. Die IWF-Tilgungsrate hätte eigentlich Anfang des Monats gezahlt werden müssen.

Die Brüsseler EU-Kommission bestätigte, dass Griechenland am Montag eine Zahlung von 7,19 Milliarden Euro aus dem EU-Rettungstopf EFSM erhalten habe. Die Brückenfinanzierung sollte helfen, die am gleichen Tag fälligen Rückzahlungen von Schulden an EZB und IWF zu leisten.

Griechenland-Krise: So hilft die Eurogruppe

Hilfspaket an Reformen gekoppelt

In ihrer Abschlusserklärung skizzieren die 19 Euro-Staaten die Linien für ein neues Hilfspaket für Griechenland. Darin werden die Einsparungen und Reformen genannt, die Athen im Gegenzug für neue Finanzhilfe aus dem Euro-Rettungsschirm ESM leisten muss. Der Euro-Gipfel beziffert den Finanzbedarf Griechenlands auf 82 bis 86 Milliarden Euro.

Reformen und Regeln

Athen muss unverzüglich Reformen verabschiedet. Bis Mittwoch, 15. Juli, sollen Rechtsvorschriften verabschiedet sein, um das Mehrwertsteuersystem zu straffen und die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems zu verbessern. Das griechische statistische Amt ELSTAT soll voll rechtlich unabhängig werden. Die Regierung soll zudem sicherstellen, dass die Regeln des Stabilitätsvertrages komplett umgesetzt werden.

Verfahren beschleunigen

Bis 22. Juli soll eine Zivilprozessordnung angenommen sein, um Gerichtsverfahren zu beschleunigen und die Kosten erheblich zu senken. Die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken soll bis dahin umgesetzt werden. Erst wenn das griechische Parlament alle in der Gipfel-Erklärung enthaltenen Verpflichtungen gebilligt hat, können die Verhandlungen über ein Rettungspaket beginnen, heißt es in dem Dokument.

Renten und Ladenöffnung

„Die von Griechenland vorgeschlagenen Reformmaßnahmen (müssen) erheblich ausgeweitet werden, um der deutlichen Verschlechterung der Wirtschafts- und Haushaltslage des Landes im vergangenen Jahr Rechnung zu tragen“, so die Gipfel-Erklärung. Zu den Maßnahmen zählt: Durchführung ehrgeiziger Reformen des Rentensystems bis Oktober 2015; Verabschiedung ehrgeizigerer Produktmarktreformen und Umsetzung der OECD-Empfehlungen etwa zu verkaufsoffenen Sonntagen, Schlussverkaufs-Perioden, Eigentum an Apotheken und Bäckereien, sowie die Öffnung bestimmter Berufe wie etwa beim Fährbetrieb.

Kein politischer Einfluss mehr

Privatisierung des Stromübertragungsnetzbetreibers (ADMIE), Modernisierung der Arbeitsmärkte etwa bei den Verfahren für Tarifverhandlungen, Arbeitskampfmaßnahmen, Massenentlassungen; Stärkung des Finanzsektors, etwa durch bessere Steuerung der Banken und die Beseitigung sämtlicher Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme

Privatisierungsfonds

Athen soll mehr und schneller privatisieren. Dafür ist der Transfer von hohen griechischen Vermögenswerten an einen unabhängigen Fonds vorgesehen, der diese zu Geld macht. Dieses Geld soll wird eine Quelle für die Rückzahlung des neuen ESM-Darlehens sein. Der Fonds soll einen Gesamtwert von 50 Milliarden Euro erzielen. Davon würden 25 Milliarden Euro für die Rückzahlung der Rekapitalisierung von Banken und anderen Vermögenswerten verwendet.

Verwaltung

Modernisierung und Kosten senken: Die Zusammenarbeit mit den Geldgeber-Institutionen bei der Überwachung von Programmen soll normalisiert werden. In der Gipfelerklärung heißt es zu dem Fonds und der Verwaltungsmodernisierung: „Die oben aufgeführten Verpflichtungen sind Mindestanforderungen für die Aufnahme der Verhandlungen mit der griechischen Regierung.“

Finanzbedarf

Der Euro-Gipfel beziffert mit Bezug auf die Geldgeber-Institutionen den Finanzbedarf Athens auf 82 bis 86 Milliarden Euro. Akut benötige Griechenland 7 Milliarden Euro bis zum 20. Juli und weitere 5 Milliarden Euro bis Mitte August.

Banken

Wegen der Probleme der griechischen Banken geht der Gipfel davon aus, dass ein neues Hilfsprogramm einen Puffer von 10 bis 25 Milliarden Euro für den Bankensektor schaffen müsste. Damit könnten die Banken frisches Kapital erhalten und taumelnde Banken könnten abgewickelt werden.

Schuldenschnitt?

In der Gipfel-Erklärung heißt es: „Der Euro-Gipfel betont, dass ein nominaler Schuldenschnitt nicht durchgeführt werden kann.“ Bei einem künftigen Hilfsprogramm könne es auch zusätzliche Maßnahmen geben, etwa einen längeren Tilgungsaufschub für Athen und längere Rückzahlungsfristen. „Das Risiko eines nicht zügigen Abschlusses der Verhandlungen liegt vollständig bei Griechenland“, heißt es in der Erklärung.

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Lange Warteschlangen vor den Banken

Vor den meisten Banken bildeten sich lange Warteschlagen. Oft waren es Kunden ohne Bankkarten. Andere beglichen ihre Strom- und Wasserrechnungen. Unternehmer konnten endlich wieder Geld an ihre Lieferanten überweisen oder Schecks auf ihre Konten einzahlen. Seit Montag können die Griechen auch wieder ohne Kontrollen an ihre Bank-Safes. Die EZB hatte in der vergangenen Woche die Nothilfen für die griechischen Geldhäuser um 900 Millionen Euro erhöht.

Die Griechen können allerdings weiterhin nur 60 Euro pro Tag abheben - oder gebündelt am Freitag 300 beziehungsweise von kommender Woche an bis zu 420 Euro (sieben Tage mal 60 Euro). Die Banken waren seit dem 29. Juni geschlossen.

Statt 13 Prozent Mehrwertsteuer schlagen künftig 23 Prozent zu Buche: für frisches oder tiefgekühltes Fleisch, Fisch, Kaffee, Tee oder Säfte, Eier, Zucker, Kakao, Reis, Mehl, Milchprodukte wie Eis und Joghurt ebenso wie für Kondome oder Toilettenpapier. Auch in Tavernen und Bars steigen die Preise für Essen und Getränke. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Tickets für U-Bahnen und Fähren ebenfalls teurer werden. Die Geldgeber hatten die Steuererhöhungen als Vorbedingung für ein drittes Griechenland-Hilfsprogramm gefordert.

Fahimi fordert Ende der Grexit-Spekulationen

Griechenland ist mit 313 Milliarden Euro verschuldet und steht kurz vor der Pleite. Das neue Hilfspaket soll nach bisherigen Planungen bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen. Im Gegenzug muss Athen harte Spar- und Reformauflagen erfüllen.

Mit Blick auf die Debatte über ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone forderte die SPD die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Handeln auf. „Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel natürlich darauf hinwirken wird, dass diese Spekulationen um einen vielleicht doch noch möglichen und temporären „Grexit“ jetzt beendet werden“, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Auch der Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Alexander Kritikos, verlangte auf n-tv ein Ende der „Grexit“-Debatte.