Frankreichs Präsident Sarkozy sorgt für Eklat auf EU-Gipfel. “Auch Deutschland räumt Lager“, behauptet er. Kanzlerin Merkel dementiert.

Brüssel. Der Eklat kam mit Ansage. Der Streit um Frankreichs Roma-Abschiebungen ist beim EU-Gipfel in Brüssel eskaliert und hat zu heftigen Verwerfungen zwischen den wichtigsten Ländern der Europäischen Union und den Spitzenpolitikern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy geführt. Staatspräsident Nicolas Sarkozy verkündete, auch die Bundesregierung werde in den kommenden Wochen Roma-Lager auflösen lassen. Dies habe er von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) erfahren. Sie habe ihm außerdem "die totale und vollständige Unterstützung" für die Roma-Abschiebungen zugesagt, so Sarkozy.

EU-Diplomaten reagierten völlig verständnislos. Solche Ankündigungen Merkels seien "auch nicht im Entferntesten gefallen". Sarkozy habe diese "komplett erfunden", hieß es. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert dementierte umgehend. Merkel habe "weder im Europäischen Rat noch bei Gesprächen mit dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy am Rande des Rates über vermeintliche Roma-Lager in Deutschland, geschweige denn deren Räumung gesprochen." Warum Sarkozy die Kanzlerin so brüskierte, blieb zunächst unklar.

Der Staatspräsident hatte in den vergangenen Monaten mehrere Roma-Lager von der Polizei auflösen lassen. Danach wurden die Menschen in Gruppen in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien abgeschoben. Dies hatte heftige Proteste von Menschenrechtlern und auch von der EU-Kommission ausgelöst. Kurz vor Beginn des Gipfels hatte Justizkommissarin Viviane Reding, eine Luxemburgerin, das französische Vorgehen eine "Schande" genannt und es sogar mit dem Vorgehen der Nationalsozialisten verglichen. "Ich habe nicht geglaubt, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal Zeuge einer solchen Situation wird", sagte sie.

Sarkozy reagierte beim Zusammentreffen in Brüssel wutentbrannt. Vor allen Staats- und Regierungschefs sagte er: "Die Kommission hat Frankreich beleidigt." Er sei "tief verletzt". Diplomaten sprachen von einem beispiellosen Vorgang bei einem Spitzentreffen dieser Art. Beim Mittagessen kam es dann zu einem hitzigen Wortwechsel zwischen Sarkozy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Barroso verteidigte dabei die Rolle der Europäischen Kommission als Hüterin der EU-Verträge. Beim Gruppenfoto drehte Sarkozy dem zu seiner Rechten stehenden Kommissionspräsidenten demonstrativ den Rücken zu.

Der bulgarische Regierungschef Bojko Borissow sagte, der Gipfel sei mit dem Versuch gescheitert, die Wogen zwischen Sarkozy und Barroso zu glätten. Sarkozy behauptete dagegen, die anderen EU-Staaten hätten ihn in seiner Roma-Politik bestätigt. Er kündigte an, Frankreich werde weiterhin "alle illegalen Lager" räumen lassen - unabhängig davon, ob darin Roma wohnten oder Franzosen.

Kanzlerin Merkel rief zu einem gemäßigteren Ton in der Auseinandersetzung auf. "Man muss nicht immer den Vergleich zum Zweiten Weltkrieg ziehen", sagte sie. Auch aus Deutschland werden Roma zurückgeschickt, vor allem in das Kosovo, mit dem im April ein Abkommen unterzeichnet wurde. Es geht dabei um etwa 12 000 Angehörige der Roma, Ashkali und Kosovo-Ägypter, die wegen der Balkankriege nach Deutschland geflohen waren.