Konferenz in Lima zur Eindämmung der Erwärmung endet mit einem vage formulierten Minimalkonsens

Lima. Manuel Pulgar-Vidal hat lange auf seinen Pisco Sour warten müssen. Eigentlich wollte Perus Umweltminister als Konferenzchef schon am Freitagabend einen Traubenschnaps-Cocktail auf das Ende des 20. Uno-Klimagipfels in Lima trinken. Dann lief Pulgar-Vidal ein heftiger Konflikt zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern fast aus dem Ruder. Erst am Sonntagmorgen um 1.25 Uhr Ortszeit konnte er den Hammer fallen lassen: Er ließ einfach keine Einwände mehr gegen den Beschluss zu. Zurückhaltender Applaus ist zu hören, zumindest ist ein Scheitern des Gipfels abgewendet. Das Ziel ist bekannt und so ziemlich das einzige klar formulierte: Die Erderwärmung soll auf höchstens zwei Grad begrenzt werden.

Es ist ein Minimal-Kompromiss mit ersten Leitplanken für den geplanten Weltklimavertrag, der Ende 2015 in Paris verabschiedet werden soll. Bis März müssen die meisten Staaten ihre Minderungsziele dafür übermitteln. Aber sie können das Ausmaß praktisch selbst bestimmen und müssen nicht sagen, wie sie das Ziel erreichen wollen. Ob ein ambitioniertes Paris-Protokoll so klappt? Fraglich. Zumal auf Druck Chinas der Passus rausflog, dass es verbindliche Überprüfungen geben soll. Und dieser erste globale Vertrag soll ohnehin erst ab 2020 gelten.

Die Konferenz, die am 1. Dezember begonnen hatte, sollte ursprünglich am Freitag enden, war dann aber um rund 30 Stunden bis zur Abschlusserklärung am Sonntag verlängert worden. Hauptknackpunkt waren die Finanzen. Entwicklungsländer warfen den reichen Industrienationen vor, sich aus der Verantwortung für die Kosten der von ihnen verursachten Schäden stehlen zu wollen. Die Uno-Wetterbehörde hatte jüngst mitgeteilt, 2014 werde das bislang wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Doch Industrie- und Entwicklungsländer schafften es nicht, sich auf eine gründliche Überprüfung der Grenzen ihrer Treibhausgasemissionen zu einigen. Immerhin gab es eine Übereinkunft darüber, welche Angaben in die Verpflichtungen eingehen sollten, die die Länder für das Abkommen in Paris unterbreiten. Den gesamten Sonnabend wurde erbittert um den Wortlaut des Entwurfs gerungen.

Da hatte der Vertreter aus Malaysia schon keine große Lust mehr auf die Verhandlungen. „Eigentlich wollte ich heute nach Cusco fliegen“, erzählte er im Plenum mit Vertretern aus 195 Staaten. Gemeint ist die Inka-Ruinenstadt Machu Picchu. Nun befinde er sich hier im Raum Cusco – so heißt der Zeltsaal auf dem Tagungsgelände in Lima –, und der Flieger sei futsch. Dann kam er doch noch zum Kern seines Anliegens. Er lehnte mit harscher Kritik ein von der EU und den USA gutgeheißenes Papier ab. Dutzende Staaten bis hin zu China taten es ihm gleich.

Der Vertreter des Sudan machte im Namen der afrikanischen Staaten klar, dass der Entwurf nichts tauge, und wurde gefeiert. Es gab eine feindselige Stimmung, nichts war mehr zu spüren von der Aufbruchstimmung nach dem Schulterschluss Chinas und den USA, die vor wenigen Wochen versprochen hatten, mehr zu tun. Die Blockierer unter den 195 Staaten wurden stundenlang von Pulgar-Vidal und bekniet, neue Abschlussentwürfe wurden geschrieben.

Die Industriestaaten wie Deutschland wollten die sogenannte Brandmauer („Firewall“) in der bisherigen Klimaarchitektur bis Paris einreißen: Sie hat zur Folge, dass aufstrebende Länder wie China und Indien bislang kaum etwas für den Klimaschutz tun müssen. Im geplanten Weltklimavertrag soll es daher keine Unterscheidung mehr zwischen Entwicklungs- und Industrieländern geben. Immerhin stoßen Entwicklungs- und Schwellenländer etwa genauso viel CO2 aus wie die reichen Staaten. Allein China verursacht 27 Prozent der globalen Kohlendioxid-Ausstöße. Es geht um eine faire Lastenverteilung, den Entwicklungsländern geht es auch um Geld, Motto: Milliardenhilfen gegen CO2-Minderungszusagen.

Es ist noch Wichtiges offen. Für welchen Zeitraum und für welche Treibhausgase sollen die Staaten Minderungsziele aufstellen? Welche Staaten bekommen wie viel Geld für die Anpassung an den Klimawandel, etwa für Deiche oder zum Ausbau von Solar- und Windenergie? Bisher haben vor allem Industriestaaten zehn Milliarden US-Dollar in einen Klimafonds eingezahlt.

Für Deutschland verhandelte nach der vorzeitigen Abreise von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Staatssekretär Jochen Flasbarth. Sie verpasste Anschauungsunterricht, welche Gräben und Kniffe es bei Klimaverhandlungen gibt. Flasbarth vertrat sie gebührlich: tief drin in der Materie, beharrlich um Lösungen ringend. Er bilanzierte mit Blick auf Paris: „Das gibt uns einen Vorgeschmack darauf, dass uns da kein Spaziergang bevorsteht.“ Trotz der Aufweichungen sei er nicht enttäuscht. „Aber ich bin erschöpft.“

Hendricks – längst zurück in Berlin – sagte am Sonntag: „Der Weg ist jetzt frei für die Schaffung des ersten Abkommens, das alle Staaten in die Klimaschutzanstrengungen einbindet.“ Es sei zu erwarten gewesen, dass zentrale Fragen erst in Paris gelöst werden könnten. Jetzt müssten alle Staaten ihre Hausaufgaben machen und ihre Klimaschutzbeiträge vorlegen.