Wer soll für die Rettung zahlen? Das unwürdige Geschacher auf dem Gipfel von Lima

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Luft auf der Erde durchschnittlich um knapp ein Grad erwärmt. Das klingt unbedeutend, schließlich merken wir ein Grad mehr oder weniger kaum. Doch diese weitgehend durch Menschen verursachte Klimaveränderung hat bereits die Weltmeere um 20 Zentimeter ansteigen und fast alle Gletscher in beängstigendem Maße abschmelzen lassen. Die letzten 30 Jahre waren auf der Nordhalbkugel die wärmsten seit dem Hochmittelalter; das Arktiseis war seit 2000 Jahren nicht mehr so dünn. Würden wir weiter ungebremst Klimagifte wie Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, so würde sich die Luft bis Ende dieses Jahrhunderts um 3,7 Grad erwärmen, würden wohl ganze Inselketten im Meer versinken, Klimazonen sich verschieben, Wüsten sich ausbreiten, die Gletscher als Trinkwasserreserven verschwinden.

Der Erde droht eine dramatische Veränderung. Doch alle Bemühungen, unsere Welt und unsere Existenz, wie wir sie kennen, zu retten, ähneln seit Jahrzehnten den Auseinandersetzungen zwischen gerissenen Straßenhändlern, von denen jeder dem anderen nicht das Schwarze unter dem Nagel gönnt. Dass die jüngste, nunmehr 20. Klimakonferenz, nicht unter dem Etikett „desaströs gescheitert“ abgeheftet werden muss, liegt allein daran, dass sich die Streithähne in Lima auf einen mit bloßem Auge kaum erkennbaren Minimalkonsens geeinigt haben, der statt konkreter Ergebnisse auf das Fazit hinausläuft: Toll, dass wir mal darüber gesprochen haben. Es ist nicht verwunderlich, dass ein paar große Industrienationen wie Deutschland bislang noch am meisten für den Klimaschutz getan haben. Erstens sind sie einst auf Kosten des Klimas reich geworden, und zweitens haben sie auch das Geld für teure Filtermaßnahmen. Doch die Welt hat sich im vergangenen Jahrzehnt nicht nur atmosphärisch verändert.

Einige jener Staaten, die man arrogant als Dritte Welt oder Schwellenländer bezeichnet hat, sind an den etablierten Industriestaaten vorbeigezogen oder schicken sich doch dazu an. Voran China natürlich, aber auch Indien, Brasilien, Indonesien oder Saudi-Arabien. Diese Nationen stoßen inzwischen ebenso viel CO2 aus wie die alten Industriemächte; und sie haben genug Geld, um gewaltige Armeen zu unterhalten. Doch auf den Klimakonferenzen geben sie sich wieder als arme Dritte Welt, um milliardenschwere Zuwendungen einfordern zu können. Dieses unwürdige Rollenspiel müsste dringend beendet, die neue Weltordnung finanziell berücksichtigt werden. Doch auch die Kräftestrukturen auf diesen Konferenzen haben sich zum Nachteil der Europäer und Nordamerikaner verschoben. Die Wirtschaftsgroßmacht China, deren Bevölkerung schwer an massiver Vergiftung von Luft und Wasser leidet, führt nun die rund 130 Staaten starke „Gruppe 77“ ebenso an wie die 30 Länder umfassende Gruppe der „Gleichgesinnten“. Sie alle haben das Ziel, Klimaschutzmaßnahmen erst dann ernsthaft ins Auge zu fassen, wenn die alten Industrienationen sie weitgehend bezahlen. Diese haben bereits dutzende Milliarden Dollar überwiesen, bis 2020 sollen es 100 Milliarden Dollar werden – jährlich.

Derartige Konferenzen scheinen reine Zeit- und Geldverschwendung zu sein; und doch sind sie als einziges politisches Instrument zum globalen Klimaschutz unverzichtbar. Die westlichen Nationen stecken in einem Dilemma. Entweder sie kümmern sich um die Umwelt nur noch in ihren eigenen Regionen – was im globalen Klimakontext kaum ausreichen würde –, oder die Rettung unserer Welt wird für uns sehr teuer. Die entscheidende Herausforderung für künftige Verhandlungen wird sein, alle Staaten auf verbindliche und zu überwachende CO2-Minderungsziele festzulegen – aber dann bitte auch jene, die Geld von den Industrienationen erhalten.