Wer feuerte die Rakete ab? Russland und die Ukraine schieben sich die Verantwortung für den Absturz des Paasagierjets gegenseitig zu

Kiew. Nach Erkenntnissen der USA haben sehr wahrscheinlich prorussische Separatisten in der Ostukraine den malaysischen Passagierjet mit 298 Menschen an Bord abgeschossen. US-Präsident Barack Obama erklärte am Freitagabend, die Rakete sei aus einem Gebiet abgefeuert worden, das von den Separatisten kontrolliert wird. Obama wies Moskau indirekt eine Mitverantwortung zu. „Das war kein Unfall. Das passiert wegen russischer Unterstützung“, sagte er. Ohne diese sei es den Separatisten nicht möglich, „so zu funktionieren, wie sie funktionieren“.

Zuvor hatte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, eine Verstrickung Russlands in den Abschuss von Flug MH17 angedeutet. „Wir können nicht ausschließen, dass russisches Personal beim Betrieb dieser Systeme geholfen hat“, sagte Powers im Uno-Sicherheitsrat in New York bei einer Sondersitzung. Moskaus Uno-Botschafter wies die Vorwürfe umgehend zurück.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach von einem „Akt des Terrorismus“. Russland stellte sich zwar nicht ausdrücklich hinter die Separatisten, doch kritisierte Präsident Wladimir Putin die ukrainische Führung. „Diese Tragödie wäre nicht passiert, wenn es in diesem Land Frieden gäbe und die Militäraktionen im Südosten der Ukraine nicht wieder aufgenommen worden wären.“

Nach Angaben der Regierung in Kiew haben die Separatisten allerdings keine Raketenflugabwehrsysteme in ihrem Besitz, die für den Abschuss einer Verkehrsmaschine in zehn Kilometern Höhe geeignet wären. Die Rebellen hätten sich zwar damit gebrüstet, Boden-Luft-Raketen vom Typ Buk (siehe unten) beim Sturm auf eine ukrainische Kaserne erbeutet zu haben. Die Regierung in Kiew stellte aber fest, dass diese Raketenstellung schon lange außer Betrieb war.

Aus Sicht der Ukraine führt die Spur nach Russland. Moskau wiederum will der offiziellen ukrainischen Armee die Schuld zuschieben. Sie besitzt ebenfalls die mobilen Buk-Systeme russischer Bauart. Am Tag des Absturzes soll eine Radarstation der ukrainischen Flugabwehr in der Region aktiv gewesen sein, teilte das russische Verteidigungsministerium. mit. Russische Überwachungsanlagen wollen eine Aktivität der Radarstation Kupol festgestellt haben, die zur Zielerfassung für das Flugabwehrsystem Buk diene. Die Radarstation befindet sich südlich von Donezk. In der Nähe stürzte die Maschine ab.

Obama forderte eine sofortige Waffenruhe, um Ermittlungen zu ermöglichen. Auch Russlands Präsident Putin rief die Konfliktparteien zu einem Ende der Kampfhandlungen auf. Sie sollten „so schnell wie möglich direkte Kontakte aufnehmen“. Die Kämpfe in anderen Teilen der Ostukraine gingen aber weiter, mehr als 20 Menschen starben. Der Chef der selbst proklamierten Volksrepublik Donezk, Alexander Borodai, lehnte eine Waffenruhe sogar kategorisch ab. Er sicherte aber erneut zu, dass unabhängige Experten Zugang zu der Absturzstelle erhalten sollten.

Der Verbleib der Flugschreiber, deren Auswertung zur Aufklärung des Absturzes beitragen könnte, ist rätselhaft. Sowohl die offiziellen ukrainische Hilfskräfte wie auch die Separatisten behaupten, sie hätten die Blackbox geborgen. Die Rebellen wollten die Geräte zur Auswertung nach Moskau schicken. Das lehnt die russische Regierung allerdings ab. „Wir haben nicht vor, die Flugschreiber entgegenzunehmen und damit gegen internationale Regeln zu verstoßen“, erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow sofort.

Der Absturz sorgte bei Fluglinien wie Lufthansa, Air France und Delta für ein Umdenken. Die Gesellschaften erklärten, den ostukrainischen Luftraum „bis auf Weiteres“ zu meiden. Schon während der Krise um die Krim hatten viele Fluglinien ihre Routen aus Sicherheitsgründen angepasst, darunter die koreanischen Airlines Korean Air und Asiana sowie die australische Qantas. Die Verantwortung, ob Flüge umgeleitet werden, solange der Luftraum nicht gesperrt ist, liegt allein bei der Airline.