An der Absturzstelle bergen Helfer die Todesopfer und deren Habseligkeiten

Kiew. In der Ostukraine erstrahlen die Felder im Gelb und Grün der Sonnenblumen und des Weizens. Im Dorf Grabowe aber stören in den Boden gerammte Pfähle und Äste die Idylle. Weiße und rote Tücher flattern an ihrer Spitze. Sie markieren Leichenteile von Insassen des abgeschossenen Passagierflugzeugs der Malaysia Airlines. In langen Reihen stapfen Polizisten, Bergleute und andere Helfer durch die Felder, die rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegen. Viele der Helfer tragen Overalls, die Bergleute, die nach der Schicht hinzugekommen sind, haben nicht einmal ihre rußverschmierte Arbeitskleidung gewechselt. Einer ruft: „Anatoli, komm hierher. Auf dem Feld liegen noch viel mehr.“

Immer wieder finden die Helfer Leichen oder einzelne Körperteile. Ein Mann fällt in Ohnmacht, als er in den Feldern auf einen Toten stößt. Gegenstände sind über das mehrere Kilometer breite Absturzgebiet der Boeing-Maschine verteilt. Uhren, Mobiltelefone, verkohlte Boardingpässe, Reisepässe: Alles wird zu Stapeln zusammengetragen. Helfer haben Koffer, Taschen und andere Besitztümer der Toten geborgen. Ein Kinderkartenspiel und ein Reiseführer „Bali und Lombok“ von Lonely Planet zeugen von den Urlaubsplänen einer Familie. Viele der Menschen an Bord von Flug MH17 waren Urlauber.

Die Maschine war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur, mindestens 189 der Passagiere waren Holländer. „I love Amsterdam“ steht auf einem an der Absturzstelle gefundenen T-Shirt – vielleicht das Souvenir eines Touristen, das an eine schöne Zeit in den Niederlanden erinnern sollte.

Es riecht nach Kerosin und Verwesung, die Helfer halten sich Stoff vor die Nase

Dort, wo ein Weizenfeld großflächig verkohlt ist, gibt es besonders viele Leichen, mal liegt aber auch nur ein vereinzelter Toter zwischen den hohen Halmen; auf einem nahen Feldweg ein abgetrennter Fuß. Es riecht nach Kerosin und Verwesung. Die Rettungskräfte halten sich Stoff vor Mund und Nase.

Auf einem anderen Feld liegt die Heckflosse der Boeing 777. Die Lackierung in den Farben der Fluggesellschaft Malaysia Airlines ist noch gut zu erkennen. Unter einem mit lilafarbenen Stoff bezogenen Sitz ragt der Arm eines Passagiers hervor.

„Diese armen Menschen“, sagt Natalja, die von ihrem Haus aus auf die Einschlagstelle blickt. „Glauben Sie, dass die etwas von diesem Krieg in der Ukraine verstanden haben? Nicht einmal wir verstehen das.“ Augenzeugen berichten, das Flugzeug sei noch in der Luft explodiert. „Es war wie ein Erdbeben“, sagt die 62 Jahre alte Katja. „Wir haben sehr, sehr viel Glück gehabt“, sagt ihr Schwiegersohn Alexander. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Trümmerteile hätten den Bauernhof der Familie getroffen.

Vor dem Grundstück ging ein Teil der Landeklappe und ein großes Stück vom Flugzeugrumpf nieder. Alexander zeigt auf Brandspuren am Holzzaun seines Hofes, es habe regelrecht Feuer geregnet, sagt er.

Die Feuerwehr bemüht sich noch am Morgen nach dem Absturz, die Kerosinbrände zu löschen. Ein Feuerwehrmann sagt zu seinem Kollegen, dass die Leichen im Umkreis von 25 Kilometern verteilt seien. „Dir ist klar, dass wir niemals alle finden werden?“