In Pittsburgh treffen zwei unterschiedliche Bank-Kulturen aufeinander. Es geht im Kern um eine Begrenzung der Boni für Banker, um Eigenkapitalregeln für Großbanken und Steuern auf Finanzgeschäfte.

Hamburg/Pittsburgh. Peer Steinbrück, seines Zeichens Bundesfinanzminister, hat die Gabe, komplexe Probleme in durchaus griffige Bilder fassen zu können. Man denke nur an den Streit um das Schweizer Bankgeheimnis, in dessen Verlauf Steinbrück den hartleibigen Zürcher "Indianern" mit der 7. US-Kavallerie aus Fort Yuma drohte.

Im Vorfeld des G20-Gipfels in der ehemaligen Stahlmetropole Pittsburgh, wo die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenstaaten seit gestern Abend beraten, beglückte der Deutsche den Berufsstand der Banker mit einem weiteren anschaulichen Vergleich. "Man darf einen Wurstvorrat nicht dem Hund zur Bewachung überlassen", fand Steinbrück. Will sagen: Die Politik soll die Regeln des globalen Finanzmarktes erstellen und deren Einhaltung überwachen - nicht die Finanzwelt selber. Das ist eine Lehre aus der schlimmsten Finanzkrise seit dem Börsencrash 1929.

"Jedes Finanzprodukt und jeder Finanzplatz muss Regeln unterworfen werden- und das weltweit", stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel fest und meinte, die Politik müsse "den Mut haben, etwas zu machen, was nicht sofort den Beifall der weltweiten Banken findet". Schon dies darf in der Sprache der Politik als kräftige Watsche für die Gilde der Banker gelten, doch die Kanzlerin wurde im Bayerischen Rundfunk noch deutlicher. Und kündigte an, sie wolle in Pittsburgh vor allem darauf hinwirken, dass keine Bank so groß sein dürfe, dass sie Staaten erpressen könne. "Das ist für mich der wichtigste Punkt." Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin äußerte scharfe Kritik. "Merkels und Steinbrücks Lautsprecherei auf internationalem Parkett ist vollkommen unglaubwürdig", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Schwarz-Rot hat keine Steueroase geschlossen, keine Verschuldungs- oder Eigenkapitalregeln für die Banken erlassen, keine wirksame Finanzaufsicht auf EU-Ebene geschaffen." Die Befürchtung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, zu strenge Regulierung führe zu sinkenden Gewinnen in der Branche, sei unbegründet, fügte Trittin hinzu. In Pittsburgh säßen mit Merkel und Steinbrück zwei seiner treuesten Anhänger mit am Tisch. "Die Große Koalition hat in der Finanzkrise noch jede Forderung des deutschen Oberbankers erfüllt." Ackermann hatte in der "Neuen Zürcher Zeitung" vor Problemen gerade für deutsche Geldhäuser gewarnt.

Die Strategie der Bundesregierung für den G20-Gipfel berührt massive Marktinteressen und finanzkulturelle Unterschiede. In der angelsächsischen Welt nämlich, vor allem in den USA, werden bindende Regeln für Finanzinstitute nicht gern gesehen. Zudem sind London mit der City und New York mit der Wall Street zwei der größten Herzkammern des internationalen Finanzorganismus. "Da ist in London klar eine Lobby, die einen Wettbewerbsvorteil mit Zähnen und Klauen verteidigen will", sagte Steinbrück dem Magazin "Stern".

Er kündigte an: "Wir werden die Spielregeln auf den Finanzmärkten nachhaltig ändern". Offensichtlich traut Steinbrück dem britischen Premier Gordon Brown nicht recht, der auf dem EU-Gipfel letzten Donnerstag in Brüssel noch alle einschlägigen Beschlüsse zur Finanzmarktreform tapfer mitgetragen hatte. Konkret geht es bei den neuen Spielregeln vor allem um zu üppige Bonuszahlungen an Banker, um Eigenkapitalregeln für Großbanken, Steuern auf Finanzgeschäfte sowie um das Austrocknen von Steueroasen.

Die Begrenzung der Boni ist das Hauptanliegen von Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicholas Sarkozy. Traditionell erhalten vor allem Investmentbanker relativ knappe Grundgehälter, die sie aber durch Bonuszahlungen auf Millionensummen aufstocken können. Diese Fixierung auf Boni führt zu einem kurzfristigen Gewinnstreben - das mit erheblichen Risiken verbunden sein kann. Die Boni sollen nach dem Willen der Kontinentaleuropäer in ein angemessenes Verhältnis zu den festen Vergütungen gesetzt werden.



Ein zweiter Streitpunkt zwischen Europäern und Amerikanern sind strengere Eigenkapitalregeln für Banken. Nach dem Ende der gegenwärtigen Wirtschaftskrise sollen die systemrelevanten Banken verpflichtet werden, mehr Eigenkapital vorzuhalten - als Stoßdämpfer für Krisen. Damit soll das Risiko abgefedert werden, dass noch einmal der Staat - sprich der Steuerzahler - kollabierende Banken mit Milliardensummen retten muss. Die Amerikaner sind aber der Ansicht, dass europäische Banken dann aufgrund von Systemunterschieden viel höhere Summen bereitstellen müssten. Deutsche und Franzosen fürchten Wettbewerbsnachteile.


Um die gewaltigen Steuersummen für die Bankenrettungen wenigstens teilweise wieder hereinzubekommen, wollen Steinbrück und Merkel auf eine Besteuerung von Finanzgeschäften dringen. Schon bei einem Steuersatz von nur 0,05 Prozent könnten so in Deutschland zwischen zehn und 20 Milliarden Euro an Einnahmen für den Fiskus hereingeholt werden, hat Steinbrück ausgerechnet. Jenen als Steueroasen geltenden Staaten drohen laut G20-Agenda künftig Sanktionen, falls sie nach März 2010 immer noch keine Transparenz geschaffen haben.


In Pittsburgh soll auch über Angela Merkels Idee einer "Charta des nachhaltigen Wirtschaftens" debattiert werden. Im Zusammenhang damit steht zum ersten Mal der Klimaschutz auf der Tagesordnung eines G20-Gipfels. Nach dem flauen Resultat des Klima-Gipfels am Rande der Uno-Vollversammlung soll versucht werden, dem Thema einen neuen Impuls zu geben.