Eine Konfliktlösung mit Rebellen lehnt Syriens Herrscher ab. Von den 60.000 Opfern, die der Konflikt bisher gefordert hat, spricht er nicht

Berlin. Hinter ihm an der Wand eine überdimensionale Nationalflagge, vor ihm eine jubelnde Menschenmenge. Der Staat, der Präsident und sein liebendes Volk. Die Symbolik macht sofort deutlich, wie Baschar al-Assad auch nach beinahe zwei Jahren Bürgerkrieg denkt. Nach einer öffentlichen Abstinenz von sechs Monaten meldete sich der syrische Präsident wieder in einer Fernsehansprache zu Wort. Im Opernhaus von Damaskus war von Bomben und Artilleriebeschuss, der in der Hauptstadt Tag und Nacht allgegenwärtig ist, nichts zu hören. "Mit unserem Blut und unserer Seele werden wir dich verteidigen, o Baschar", rief das Publikum frenetisch. Weit über 1000 Zuhörer, die für die Rede im Daral-Assad, dem Haus der Kunst und Kultur, ausgewählt worden waren. Ausnahmslos begeisterte Mitglieder oder Unterstützer und Begünstigte des Regimes.

Einen Anlass zur Freude gebe es jedoch nicht, betonte Assad in seiner Rede. "Wir befinden uns im Krieg, und das im wahrsten Sinn des Wortes, mit all seinen Aspekten." Von den 60.000 Menschen, die laut neuester Studie der Vereinten Nationen bisher getötet worden sind, sprach Assad nicht. Genauso wenig von der aussichtslosen Situation in seinem Land. In allen größeren Städten wird gekämpft, ausgenommen sind Tartous und Lattakia, die beiden Küstenstädte am Mittelmeer. Ein Erfolg von einer der Parteien, Regime oder Rebellen, ist nicht in Sicht. Aber Assad gab sich in seiner Rede siegesgewiss. "Unsere gesamte Politik muss sich darauf richten, diesen Krieg zu gewinnen." Eine Schuld seines Regimes am Konflikt leugnete der 57-Jährige. Für ihn tragen ausländische Kräfte die Schuld am Bürgerkrieg. "Man darf nicht in die Falle tappen und behaupten, es gäbe einen Konflikt zwischen Opposition und Regierung", erklärte der Präsident im Laufe seiner Fernsehansprache. "Der Konflikt besteht zwischen dem Heimatland und seinen Feinden. Zwischen dem Volk und Mördern und Kriminellen."

Der Präsident lieferte mit seiner Rede kaum etwas Neues, was die Staatsmedien nicht schon gemeldet hatten. Sie sprechen seit Beginn des Aufstands von "Terroristen und Islamisten, die vom Ausland gesteuert werden". Auch Assad betätigte erneut diese Verschwörungstheorie. Er bezeichnete die Opposition als Marionetten, deren Fäden von dunklen Kräften gezogen würden. Damit will er der Opposition und ihren Forderungen nach Demokratie und Freiheit jede Legitimität nehmen. Es ist bewiesen, dass die Rebellen aus der Türkei, aus Saudi-Arabien oder auch Katar militärische wie finanzielle Unterstützung erhalten. Aber die friedlichen Proteste von vielen Tausend Menschen, die es vor zwei Jahren gegeben hat, auf Machenschaften des Auslands zu reduzieren, ist pure Propaganda. Und selbst wenn Menschen zu den Waffen greifen und dabei bereit sind zu sterben, gibt es wesentlich mehr Gründe, als nur das Geld aus den reichen Golfstaaten.

"Von welcher Revolution wird gesprochen?", fragte Assad in seiner Rede. "Eine Revolution braucht Denker und vor allem eine Führung. Wer ist der Führer dieser Revolution?" Damit verwies er geschickt auf die unzähligen Gruppierungen innerhalb der Opposition, die machen, was sie wollen, obwohl sie offiziell Teil der Nationalen Allianz sein mögen, die neu gegründete Vertretung der Rebellen. Assad beschuldigte sie, für die schlechte Versorgungs- und Sicherheitslage verantwortlich zu sein. Sie würden Getreide stehlen, Strom- und Wasserleitungen zerstören und Kinder vom Schulbesuch abhalten. "Die Nation ist für alle, und wir müssen sie beschützen."

Neue Freunde in den Reihen der Opposition wollte sich Assad mit seiner TV-Ansprache nicht machen. Vielmehr scheint er sich an seine Anhängerschaft und an die schweigende Mehrheit der Bevölkerung gerichtet zu haben. Die Botschaft ist klar: Der Kampf gegen die terroristischen radikalen Islamisten aus dem Ausland geht weiter, da sie das Land in totales Chaos stürzen wollen. Wer wieder Frieden, Sicherheit und Prosperität will, muss das Regime unterstützen. Assad rief zu einer nationalen Mobilmachung auf, um gemeinsam der Bedrohung Syriens zu begegnen. Was genau er damit meinte, blieb offen. Am Ende seines öffentlichen Auftritts gab sich der Präsident eher staatsmännisch und präsentierte einen Ausweg aus der Krise. Zuerst müsste das Ausland seine Waffenlieferungen an "die terroristischen Banden stoppen". Die syrische Armee würde daraufhin alle ihre militärischen Operationen beenden, sich aber ein Recht auf Selbstverteidigung vorbehalten. Dann würde eine Versammlung des nationalen Dialogs, gebildet aus "syrischen Individuen und politischen Parteien", an einer neuen Verfassung und Regierung sowie Parlamentswahlen arbeiten.

Aber unter der Opposition hat Assad jegliches Vertrauen verloren. Sein Rücktritt ist für sie der einzige Schritt, mit dem der bewaffnete Konflikt beendet werden kann. "Aber warum sollte er das tun?", fragt Iyad, ein Anhänger seines Präsidenten. "Er hat schon so viele Vorschläge für echte Demokratie gemacht, aber niemand hört zu." Die FSA, die der junge Journalist als "faschistische Salafistenarmee" bezeichnet, wolle keine friedliche Lösung. Er zeigt auf seinem Laptop Videos von Enthauptungen, die er den Rebellen zuschreibt. "Sehen Sie, das ist ihre wahre Natur." Wie Iyad denken noch viele andere Syrier. Sie umarmen die Soldaten des Regimes auf offener Straße oder bringen ihnen unaufgefordert Tee von zu Hause. "Wir wollen es so, wie es vorher war", sagte ein Taxifahrer in Damaskus. "Damit wären die meisten Menschen zufrieden. Hätte nur alles nicht angefangen", fügt er kopfschüttelnd an. Aber so, wie früher, wird es nie wieder. Und Frieden? Nach der Rede Assads wird der Krieg auf unbestimmte Zeit weitergehen.