Hurrikan „Sandy” war wohl der teuerste Sturm in der US-Geschichte. Zahl der Toten steigt auf mindestens 50. Obama verschafft sich Lagebild.

New York/Washington. US-Präsident Barack Obama hat sich einen ersten persönlichen Eindruck von den Sturmschäden im Bundesstaat New Jersey verschafft. Er landete am Mittwochnachmittag (Ortszeit) mit dem Präsidentenflugzeug „Air Force One“ in der Casino-Stadt Atlantic City, das besonders schwer von der Unwetterkatastrophe getroffen worden war. Gemeinsam mit dem republikanischen Gouverneur des Staates, Chris Christie, der ihn per Handschlag begrüßte, wollte er die Überschwemmungsgebiete begutachten. Beide Politiker betrachteten die Lage zunächst in einem Hubschrauber aus der Luft.

Das Weiße Haus wies unterdessen zurück, dass es sich bei dem Besuch in dem Katastrophengebiet um einen Wahlkampfauftritt handeln könnte. „Es ist völlig angemessen, dass der Präsident New Jersey besucht“, zitiert ein mitreisender Reporter Obamas Sprecher Jay Carney. „Dies ist keine Zeit für Politik“. Auch der Wahlkampfberater des Präsidenten betonte, dass der Präsident lediglich seiner Verantwortung nachgehe. „Es handelt sich um eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes.“

Obamas Aufenthalt in New Jersey sollte laut dem Terminplan des Weißen Hauses knapp drei Stunden dauern. Ein Besuch in der Stadt New York war hingegen nicht geplant, weil ein Präsidentenbesuch dort die Aufräumarbeiten stören könnte, wie Carney sagte. Von Donnerstag wird der Präsident wieder Wahlkampfkundgebungen geben. Sein Herausforderer Mitt Romney absolvierte bereits am Mittwoch entsprechende Auftritte in Florida.

Obamas Vorgänger George W. Bush war 2005 wegen mangelnder Hilfen des Bundes für die Opfer des Hurrikans „Katrina“ massiv kritisiert worden. Der Katastrophenschutz des Bundes erklärte, für schnelle Hilfen an die Betroffenen sei genug Geld vorhanden. Obama hatte New York und New Jersey zum Katastrophengebiet erklärt. Er und Romney hatten wegen des Unwetters mehrere Wahlkampftermine abgesagt. Der Präsident will am Donnerstag wieder in das Rennen um das Weiße Haus einsteigen, sein Herausforderer tat dies bereits am Mittwoch in Florida.

Am Tag nach dem Monstersturm wurde an der US-Ostküste das ganze Ausmaß der Schäden deutlich geworden. Heimatschutz-Ministerin Janet Napolitano nannte den Sturm, der nun gewaltige Schneemassen über das Gebiet der Großen Seen treibt, den möglicherweise teuersten in der US-Geschichte. Die Zahl der Todesopfer stieg bis Mittwoch auf mindestens 50. Präsident Barack Obama reiste sechs Tage vor der Wahl in den Bundesstaat New Jersey, um sich dort einen Überblick über die Schäden zu verschaffen. In der Millionen-Metropole New York begann die mühselige Rückkehr zur Normalität. Erste Pendlerzüge sollten bereits am Mittwoch wieder fahren.

Napolitano sagte, die Regierung bringe große Mengen an Hilfsgütern in die betroffenen Gebiete. „Es war einer der teuersten, wenn nicht sogar der teuerste Sturm unserer nationalen Geschichte“, sagte die Ministerin. Experten gehen von Schäden zwischen 15 und 20 Milliarden Dollar aus.

„Die Zerstörung ist unvorstellbar“, hatte Gouverneur Christie am Dienstag eine erste Bilanz gezogen. So saßen in der Stadt Hoboken nach Angaben des Bürgermeisters 20.000 Menschen wegen Überschwemmungen in ihren Wohnungen fest. Die Nationalgarde pumpte Keller aus. Im New Yorker Bezirk Staten Island rettete die Polizei mit Hubschraubern Menschen, die sich auf die Dächer ihrer Häuser geflüchtet hatten. Im Bundesstaat New York kamen 27 Menschen ums Leben, davon 22 allein der Stadt. Je sechs Tote gab es in New Jersey und Pennsylvania.

Bahnen sollen bald wieder fahren

Trotz der Wiederaufnahme des Busbetriebs gestaltete sich der Weg zur Arbeit für viele New Yorker extrem schwierig. Weil die wenigen eingesetzten Busse überfüllt waren und U-Bahnen wegen überfluteter Schächte noch nicht wieder fuhren, nahmen Berufstätige lange Fußmärsche in Kauf. Andere versuchten, eines der wenigen Taxis zu stoppen. Einen Hoffnungsschimmer bot Gouverneur Andrew Cuomo: Am Nachmittag würden Pendlerzüge in begrenztem Umfang den Verkehr wiederaufnehmen, erste U-Bahnen führen ab Donnerstag. Drei der sieben Tunnel unter dem East River seien leergepumpt worden.

Viele New Yorker hatten zuvor eine weitere Nacht im Dunkeln und ohne warmes Wasser zugebracht. Mehr als 760.000 der rund drei Millionen Kunden von Consolidated Edison waren nach Angaben des Energieversorgers ohne Elektrizität. Wegen einer Explosion in einem Umspannwerk war die südliche Hälfte Manhattans von der Energieversorgung abgeschnitten. Dort wohnen 250.000 Menschen. Der Wiederanschluss an das Stromnetz werde mindestens eine Woche dauern, teilte der Energieversorger mit. An der gesamten Ostküste hatten mehr als acht Millionen Menschen keinen Strom.

Mit dem John F. Kennedy Airport und dem internationalen Flughafen von Newark nahmen zwei der drei wichtigsten Flughäfen im Großraum der Stadt ihren Betrieb in begrenztem Umfang wieder auf. Der überschwemmte LaGuardia-Flughafen bleibt wegen Überschwemmung bis auf weiteres geschlossen.

Der Marathon in New York soll am Sonntag wie geplant stattfinden. Allerdings dürfte sich die Anreise der Teilnehmer wegen 16.000 ausgefallener Flüge und der Reparaturen an der U-Bahn als schwierig gestalten. Dennoch äußerte sich der Veranstalter New York Road Runners zuversichtlich. Die Millionenmetropole und ihre Einwohner müssten zwar gerade eine sehr schwierige Zeit durchmachen, aber der Marathon sei schon immer ein Symbol für die Lebensfreude und Widerstandskraft dieser Stadt gewesen.

Rückkehr zur Lebensfreude signalisierten auch die Theater am Broadway. Die meisten Vorstellungen würden am Mittwoch wieder öffnen, teilten die seit Sonntag geschlossenen Bühnen mit. Dagegen wurde der traditionelle Halloween-Umzug abgesagt.