Der amtierende Präsident hat seinen Konkurrenten Romney mit einem Schimpfwort bedacht. Der reagiert erbost und schießt zurück.

Washington/Berlin. Der Ton im US-Wahlkampf wird rauer: Präsident Barack Obama hat in einem Gespräch mit dem Magazin „Rolling Stone“ seinen Herausforderer Mitt Romney als „Dummschwätzer“ bezeichnet. „Kinder würden sofort durchschauen, wenn ein Mensch ein ’bullshitter’ ist“, sagte Obama im Anschluss an ein Interview mit der Musikzeitschrift in offensichtlicher Anspielung auf Romney. „Wissen Sie, Kinder haben gute Instinkte. Die sehen sich den anderen Typen an und sagen: Ok, dass ist ein ’bullshitter’, ich sehe das genau.“

Romneys Wahlkampfteam verurteilte nach US-Medienberichten die Aussage. Obama sei in der Defensive und habe nichts anderes mehr als Angriffe und Beleidigungen zu bieten, sagte Wahlkampfberater Kevin Madden demnach in einer schriftlich verbreiteten Erklärung. Romney beschuldigte Obama, parteiische Politik zu betreiben in seiner „unglaublich schrumpfenden Kampagne.“

Romney will Fokus auf die Wirtschaft zu lenken

Das Wahlkampfteam des Republikaners versuchte zudem, den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung auf die Wirtschaftslage zu lenken. Romney ist seit Tagen unter Beschuss, weil er den republikanischen Senatskandidaten Richard Mourdock in einem Wahlwerbespot unterstützte. Mourdock, der im Staat Indiana antritt, hatte während einer live übertragenen Fernsehdebatte gesagt, wenn eine Frau nach einer Vergewaltigung schwanger werde, „ist das etwas, das Gott wollte“. Mit der Äußerung wolle er nichts zu tun haben, unterstütze aber weiter die Kandidatur Mourdocks, teilte Romneys Team mit. Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts ist Abtreibungsgegner, will aber Ausnahmen zulassen.

Das Obama-Team erhöhte unterdessen den Druck auf Romney, sich von Mourdock zu distanzieren. Sicherlich auch mit dem Hintergedanken, den verloren gegangenen Vorsprung des Präsidenten in den jüngsten Umfragen bei Frauen zurückzugewinnen. Denn alle Wählerbefragungen zeigen, dass die US-Wahl von den Frauen entschieden wird. Obama lag zwar bei der Frage, wer von den beiden Kandidaten besser bei frauenspezifischen Themen entscheiden würde, noch vorne. Dort konnte er seinen Vorsprung von 55 zu 41 Prozent verteidigen. Doch wenn es um Wirtschaftsfragen geht, hat er seinen Vorsprung von 56 zu 40 Prozent verspielt. Jetzt sticht ihn Romney mit 49 zu 45 Prozent aus.

Analysten schrieben das der geänderten Wahlkampfstrategie des Republikaners zu, der seine Hardlinerpositionen inzwischen deutlich abgeschwächt hat. Am Freitag stand auf Romneys Programm wohl auch deshalb noch eine Wahlkampfrede mit dem Schwerpunkt Wirtschaft, bei der die Unterschiede zur Politik des Präsidenten im Mittelpunkt stehen sollten.

Doch elf Tage vor der Präsidentenwahl zeigt sich die Konjunktur in den USA leicht erholt. Im dritten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um zwei Prozent, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Dies sei hauptsächlich auf steigende Ausgaben von Verbrauchern und der Regierung zurückzuführen. Das Wirtschaftsministerium geht nun für das Gesamtjahr 2012 von einem Anstieg des BIPs um 1,74 Prozent aus.

In den Augen Romneys sind das sicherlich schlechte Zahlen, lag das Wachstum 2011 doch bei 1,8 Prozent. Auch gesunkene Exportzahlen und die schlechte Lage in der Landwirtschaft nach schwerer Dürre spielen Romney in die Hände. Präsident Obama hingegen wird im Endspurt des Wahlkampfs drauf hinweisen, dass die Wirtschaft wieder an Dynamik gewinne. Der offizielle Quartalsbericht zur US-Wirtschaft ist der letzte vor der Wahl am 6. November.

Über zwei Milliarden Dollar für Wahlkampf

Beide Kandidaten, die in den jüngsten Umfragen fast gleichauf liegen, haben ein Vermögen in ihren Wahlkampf gesteckt. Es wurden bereits mehr als zwei Milliarden Dollar eingeworben, was diese Wahl zur teuersten aller Zeiten macht. Entschieden wird sie aber in den neun sogenannten Swing States, die noch keiner der Bewerber für sich gewinnen konnte. Beide konzentrieren so gut wie alle Anstrengungen und Wahlkampfauftritte im Endspurt auf die Staaten Ohio, Florida, Virginia, North Carolina, New Hampshire, Iowa, Wisconsin, Nevada und Colorado. Die anderen 41 Staaten gelten als sicher einem der Kandidaten zugeneigt.

Zwischen seinen Wahlkampfterminen und seinen präsidialen Aufgaben schaffte es Obama am Donnerstag (Ortszeit) auch noch kurz nach Chicago, um in seiner Heimatstadt vorab seine Stimme abzugeben. Er ist der erste Präsident, der von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Die Aktion dient der Kampagnenstrategie der Demokraten, bei den Frühwählern zu punkten. Nach Angaben eines US-Wahlprojekts der George Mason Universität bei Washington haben bereits 7,2 Millionen Amerikaner ihre Stimme per Briefwahl oder persönlich vorab abgegeben. Es wird mit einem Anteil der Frühwähler von 35 Prozent gerechnet.