Fluten in den Straßen gehen nach Wirbelsturm zurück. Erste Bilanz ist jedoch dramatisch: 16 Tote, Schäden bis zu 20 Milliarden Dollar.

New York. Nach dem Durchzug des Wirbelsturms „Sandy“ entspannt sich in den ersten Teilen der Millionenstadt New York die Lage. Die Fluten gingen am Dienstagmorgen zurück. Die Zahl der Todesopfer des Sturms insgesamt stieg aber nach Angaben des US-Senders CNN weiter auf mindestens 16 in den USA und Kanada.

In dem weniger vom Unwetter geschädigten New Yorker Viertel Harlem, wo in der Nacht das Wasser des Hudson River in Ufernähe knietief stand, blieb am Dienstag eine dünne Schlammschicht auf den Wegen zurück. Abgeknickte Äste lagen am Rand der Straßen. Anders als in den tiefer gelegenen südlichen Teilen der Insel Manhattan hatten die Menschen im nordwestlichen Teil Strom. Auch die Handynetze funktionierten dort.

Dagegen waren die Gebäude und Straßen am anderen Ufer des Hudson River im Bundesstaat New Jersey dunkel. Der öffentliche Nahverkehr in New York City ruhte weiter. Weder Busse noch U-Bahnen fuhren. Nur wenige Autos waren unterwegs.

Am frühen Dienstagmorgen (Ortszeit) waren nach Berichten des Senders CNN mindestens 6,5 Millionen Menschen ohne Strom. Tunnel und Teile des New Yorker U-Bahn-Systems waren voll Wasser. Aus den Straßen floss die Flut am Morgen allmählich ab.

Erste Schätzungen gehen von Schäden bis zu 20 Milliarden Dollar aus (15,5 Milliarden Euro). Auch am Dienstag fielen Tausende Flüge aus, darunter Verbindungen nach Deutschland. Die Börse an der Wall Street und viele Schulen blieben erneut geschlossen.

In New York brannten Häuser. Flammen zerstörten laut Feuerwehr mehr als 50 Gebäude im Bezirk Queens. Die Ursache blieb zunächst unklar.

Im Bundesstaat New Jersey brach CNN zufolge ein Damm – Hunderte Menschen wurden in Sicherheit gebracht. In Pennsylvania starb ein Achtjähriger unter einem umstürzenden Baum. Zuvor waren zwei Kinder beim Spielen zuhause im Landkreis Westchester bei New York gestorben, als ein Baum durchs Dach schlug. Im New Yorker Stadtteil Queens fiel ein Ast durch das Dach eines Holzhauses und tötete einen 29-Jährigen. In Toronto (Kanada) erschlug umherfliegender Schutt eine Fußgängerin.

Das öffentliche Leben in Großstädten wie New York, Washington und Philadelphia war schon vor Eintreffen des Sturms zum Erliegen gekommen. Die Nahverkehrssysteme sowie Schulen, Behörden, Theater, Büchereien, Parks und zahlreiche Restaurants und Geschäfte blieben vielerorts geschlossen.

Auch die Vereinten Nationen und die Börse an der Wall Street in New York blieben zu. In das geschlossene U-Bahn-System der Millionenmetropole drang Wasser ein. Joseph J. Lhota von den New Yorker Verkehrsbetrieben nannte den Sturm die schwerste Zerstörung in der 108-jährigen Geschichte der U-Bahn. Wahrscheinlich dauert es mehrere Tage, bis die U-Bahn wieder fährt. In Washington dagegen sollten noch heute die ersten Züge und Busse wieder fahren.

In einem New Yorker Umspannwerk gab es eine Explosion. Bilder zeigten einen gewaltigen Feuerball in der Anlage in der Lower East Side von Manhattan. Im Atomkraftwerk Oyster Creek südlich von New York wurde wegen eines bedrohlich steigenden Wasserspiegels Alarm ausgelöst, wie die Atomaufsichtsbehörde NRC mitteilte. Das Kraftwerk im Bundesstaat New Jersey sei zu dem Zeitpunkt aber bereits abgeschaltet gewesen. Oyster Creek ist seit 1969 am Netz und das älteste laufende Atomkraftwerk der USA.

Das Unheil an der US-Ostküste nahm am Montagabend (Ortszeit) seinen Lauf: Das Auge des Wirbelsturms erreichte die Küste nach Angaben des Hurricane Centers in der Spielermetropole Atlantic City (Bundesstaat New Jersey). Die Strandpromenade wurde beschädigt. Dann wirbelte der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde an der Küste entlang Richtung New York. Abgeschwächt zog er weiter westwärts, Richtung Große Seen.

Wetterexperten befürchten, dass „Sandy“ später im Nordosten auf einen Wintersturm treffen könnte. Diese Kombination könnte dann zum schwersten Unwetter seit Jahrzehnten führen. „Sandy“ könnte auch noch einen Blizzard erzeugen und am Mittwoch den Bergen von West Virginia bis zu einem Meter Neuschnee bringen.

Eine Woche vor der US-Wahl wirkte sich der Sturm bereits auf den Endspurt zum 6. November aus. Präsident Barack Obama kehrte von einer Wahlkampftour in Florida nach Washington zurück und rief die Bevölkerung eindringlich dazu auf, den Anweisungen der Behörden zu folgen. Für mehrere Bundesstaaten hatte er den Notstand ausgerufen.

Bei einer dramatischen Rettungsaktion brachten zwei Hubschrauber der US-Küstenwache 14 Besatzungsmitglieder des Filmschiffs „Bounty“ in Sicherheit. Eine Frau, die Stunden später geborgen wurde, starb. Der Kapitän wurde zunächst weiter vermisst.

Im Sturm „Sandy“ waren bereits auf seinem Weg durch die Karibik mehr als 65 Menschen gestorben. Zusammen mit den Toten in Nordamerika stieg die Todesbilanz auf mindestens 80.

Sturm „Sandy“ hält Kreuzfahrtpassagiere in New York fest

Der Wirbelsturm „Sandy“ hält auch Kreuzfahrtpassagiere aus Deutschland länger in New York fest als geplant. Wie ein Sprecher des Rostocker Kreuzfahrtunternehmens Aida Cruises am Dienstag sagte, warten dort noch etwa 70 Passagiere auf einen Rückflug in die Heimat. Sie seien in Hotels untergebracht und würden von Aida-Mitarbeitern betreut. Medienberichten zufolge waren Reisegäste unter anderem aus Rostock und Minden (Nordrhein-Westfalen) von dem Zwangsaufenthalt betroffen. Sie sollen aller Voraussicht nach am Mittwoch den Heimflug antreten, wenn die wegen des Unwetters verfügte Schließung der Flughäfen aufgehoben ist.

Die große Mehrzahl der rund 2000 Reisegäste, die am Wochenende in New York das Schiff „AidaLuna“ verlassen hätten, sei jedoch noch rechtzeitig aus New York weggekommen, sagte Unternehmenssprecher Hansjörg Kunze. Der Kreuzliner habe auf Weisung der Behörden den Hafen bereits am Sonntag – einen Tag früher als geplant – verlassen müssen und den Sturm auf dem Weg nach Miami inzwischen „in sicherem Abstand gut passiert“. Von Florida aus würden dann auch Passagiere nach Hause fliegen, die das Angebot genutzt hätten, zunächst an Bord zu bleiben.

Einem Bericht des „Mindener Tageblatts“ zufolge war es wegen der Vielzahl der gestrichenen Flüge zunächst problematisch, ein Hotel für eine 20-köpfige Reisegruppe aus Minden zu finden. Doch seien schließlich Unterkünfte in einem Hotel am Newark Airport beschafft worden. „Die Stimmung ist bei der Reisegruppe trotz der angespannten Situation an der Ostküste gut“, berichtete das Blatt unter Berufung auf ein örtliches Reisebüro, das die Reise organisiert hatte.

Nach Angaben von Aida Cruises wird die „AidaLuna“ am Mittwoch Miami erreichen. Dort würden auch jene Passagiere an Bord gehen, die New York wegen des Sturms nicht erreichen konnten und größtenteils mit gesonderten Chartermaschinen nach Miami gebracht wurden. Für Dienstag seien zwei weitere Charterflüge geplant gewesen. Das Unternehmen geht nach eigenen Angaben davon aus, „dass im Verlaufe des Mittwochs alle Gäste ihre Reise mit AidaLuna von Miami aus antreten können“. Die Reise führt in die Karibik und endet am 10. November in der Dominikanischen Republik.

Flüge wegen Wirbelsturm „Sandy“ gestrichen

Wegen des Wirbelsturms „Sandy“ sind am Frankfurter Flughafen erneut mehrere Flüge in die USA gestrichen worden. Neun Abflüge verschiedener Fluggesellschaften wurden am Dienstag abgesagt, wie ein Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport sagte. Außerdem seien zwölf Flüge von der amerikanischen Ostküste nach Frankfurt gestrichen worden. Betroffen seien die Flughäfen in New York, Washington, Boston und Philadelphia. Schon in den Vortagen waren wegen des Wirbelsturms Verbindungen abgesagt worden.

Fälle von gestrandeten Passagieren am größten deutsche Flughafen seien ihm nicht bekannt, sagte der Sprecher. Fraport sei jedoch darauf vorbereitet gewesen und habe Feldbetten bereitgestellt. Wie viele Passagiere insgesamt von den Behinderungen durch „Sandy“ betroffen waren, konnte der Flughafenbetreiber nicht beziffern.

Die Lufthansa musste nach Angaben einer Sprecherin vier Flüge nach New York streichen: Zwei ab Frankfurt sowie jeweils einen ab München und Düsseldorf. „Betroffene Kunden wurden vorab per SMS oder Mail informiert, wenn sie ihre Daten bei der Lufthansa hinterlegt haben“, erklärte die Sprecherin. Außerdem seien Flugausfälle auf der Internetseite der Fluglinie und in sozialen Netzwerken bekanntgegeben worden.

Kunden, deren Flug gestrichen wurde, können bei der Lufthansa kostenlos umbuchen oder stornieren, erklärte die Sprecherin. Betroffenen, die am Flughafen übernachten müssen, bezahlt die Lufthansa die Hotelkosten. Ob auch am Mittwoch mit Flugausfällen zu rechnen ist, konnte die Fluggesellschaft nicht sagen. Angaben über die Zahl der betroffenen Passagieren wurden nicht gemacht.

Die US-Fluggesellschaft United Airlines musste am Dienstag fünf Flüge von Frankfurt nach New York und Washington streichen. Ein Sprecher sagte, er rechne auch am Mittwoch noch mit Flugausfällen. Einige tausend Passagiere seien betroffen. Die Airline bietet ihren Kunden ebenfalls kostenlose Umbuchungen an. „Wir helfen, wo es geht.“

Die Fluggesellschaft hatte ihre Kunden vorab per SMS oder Mail über Flugausfälle informiert. „Keiner unserer Kunden steht jetzt am Flughafen und weiß nicht, was er tun soll“, versicherte der Sprecher. Um in den kommenden Tagen einen Rückstau von Passagieren zu vermeiden, plant United Airlines auch größere Flugzeuge einzusetzen. „Wenn das Wetter uns erlaubt, zu fliegen, wird sich die Lage innerhalb von 48 Stunden entspannen“, erklärte der Sprecher.

Bond-Team fliegt wegen Wirbelsturms nicht nach New York

Auch James-Bond-Darsteller Daniel Craig (44) und seine Kollegen müssen wegen des Wirbelsturms „Sandy“ auf einen Flug nach New York verzichten. Wohin das Team am Dienstagabend nach der Deutschlandpremiere von „Skyfall“ in Berlin reisen wird, blieb nach Angaben von Sony Pictures zunächst offen. Der Film, in dem Craig zum dritten Mal in die Rolle des Geheimagenten schlüpfte, sollte bei einer Sondervorstellung in Manhattan vorgestellt werden.