Am 27. September jährt sich Safran-Revolution zum fünften Mal. Es hat sich etwas geändert, aber es hapert mit der Umsetzung von Reformen.

Rangun. Das Leben im schwülheißen Rangun geht seinen gemächlichen Gang. Nichts scheint die Einwohner der birmanischen Metropole, in der Menschen vieler Ethnien und Religionen zusammenleben, aus ihrer Ruhe bringen zu können. Auch nicht der fünfte Jahrestag des Aufstands der buddhistischen Mönche gegen die Militärdiktatur im September 2007, „der Safran-Revolution“, so genannt wegen der safrangelben Kutten der birmanischen Mönche.

Gemeinhin wird der 27. September als das historische Datum angeführt. Dieser Septembertag war der Höhepunkt der blutigen Niederschlagung des Aufstands in Rangun. Aber mit gleichem Recht könnten andere Daten für die Erinnerung an einen historischen Moment herangezogen werden, der Birma einschneidend verändert hat.

Naing Lin würde den 22. September wählen: „An dem Tag fielen die ersten Schüsse“, erinnert sich der heute 24-jährige Angestellte eines Reisebüros in Rangun. Er studierte damals an einer Sprachenschule. „Als wir von dem Gewalteinsatz gegen die Mönche hörten, waren wir entsetzt.“ Sie fuhren in die Innenstadt, um selbst zu sehen, was los war: „Es war schrecklich. In der Nähe der Sule-Pagode haben wir viele Verletzte und viel Blut gesehen.“

Tausende Teilnehmer der Proteste – Mönche wie Laien – wurden verhaftet, Hunderte in Blitzverfahren zu drastischen Freiheitsstrafen verurteilt. 68 Jahre Haft lautete das Urteil für den Mönch Ashin Gambira, einen der Organisatoren. Nach der Safran-Revolution schien die Militärjunta fester im Sattel zu sitzen als je. Gut drei Jahre später aber, nach der Wahl vom November 2010, erfolgte die abrupte Kehrtwende.

Eine nominell zivile Regierung übernahm die Macht, und Präsident Thein Sein, zuvor General und Ministerpräsident der Junta, zeigte sich als Reformer. Im Rahmen einer Amnestie entließ seine Regierung 2011 Hunderte politische Gefangene, darunter auch Ashin Gambira. „Die Safran-Revolution hat einen Trend zur Demokratie eingeleitet“, sagt er. Zum Jahrestag kann er aus seinem Heimatort Meikhtila nicht nach Rangun kommen. „Meine Gesundheit ist durch die Zeit im Gefängnis sehr angeschlagen“, so der 41-Jährige. Ashin Gambira ist kein Mönch mehr. Weil er auch nach der Haft politisch aktiv geblieben ist und als zu radikaler Demokrat gilt, nimmt ihn kein Kloster mehr auf. So lebt er wieder mit seinem bürgerlichen Namen Ko Nyi Nyi Lwin bei seinen Eltern.

Thein Sein hat viele Reformen auf den Weg gebracht. Gewerkschaften sind erlaubt, die Pressezensur ist weitgehend aufgehoben, er kooperiert mit der von Junta-Chef Than Shwe gehassten Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi in einer Weise, die manche schon an das Duo Nelson Mandela und Frederik Willem De Klerk nach dem Ende der Apartheid in Südafrika erinnert.

Allerdings hapert es noch bei der Umsetzung der Reformen im Alltag. In den Amtsstuben der Behörden und in den Köpfen der Polizei herrscht noch das alte Denken. Erst am Montag wurden mehrere Friedensaktivisten angeklagt, weil sie am Weltfriedenstag in Rangun für ein Ende des Krieges der birmanischen Armee gegen die Minderheit der Kachin im Norden des Landes demonstriert hatten. Es hapert aber auch, weil viele Birmaner der neuen Freiheit noch nicht trauen.

„Meine Mutter hat heute noch Angst, wenn sie von Demos und Kundgebungen der Opposition hört, obwohl die heute harmlos sind und erlaubt sind“, sagt Naing Lin bei einem Cappuccino im trendigen Cafe 365 in Rangun. Doch er hat Verständnis für die Bedenken: „Die Generation meiner Eltern hat ja nur erlebt, dass Demonstrationen mit Gewalt niedergeschlagen wurden.“

Die Anklage gegen die Friedensdemonstranten wird weithin als Warnung an die Opposition gesehen, die neue Ordnung der alten Machthaber nicht durch lautes Gedenken zum Jahrestag der Revolution zu stören. Nur hinter vorgehaltener Hand wird über die Ereignisse von damals gesprochen. „Die Leute sind mit politischen Äußerungen noch sehr vorsichtig“, sagt Naing Lin. „In den Jahrzehnten der Diktatur konnte man fast niemandem trauen. Das Misstrauen ist noch immer tief verwurzelt.“