Doch Kidnapper ließen die Entführten ohne jede Gewaltanwendung einfach laufen. Deutsche Geiseln wieder sicher zu Hause.

Kairo. Zehn Tage lang rasten die schwer bewaffneten Kidnapper im wilden Zickzack mit ihren Geiseln durch die Wüste. Dann kam die überraschende Wende. "Plötzlich sagte der Mann, wir könnten ein Auto nehmen und wegfahren", berichtete eine der befreiten Geiseln, der ägyptische Fahrer Hassan Abdel Hakim. "Wir waren alle 19 in ein einziges Auto gezwängt, einige saßen sogar auf dem Dach." Der ebenfalls entführte 65-jährige Bernd L., ein pensionierter Studienrat aus Berlin, widersprach Berichten über einen Einsatz von Soldaten oder Spezialkräften: "Das war keine Befreiung, das ist absoluter Unsinn", sagte er "Spiegel Online" - und betonte, die sudanesische Armee habe eine Entführergruppe angegriffen und sechs Geiselnehmer getötet. Daraufhin hätten die Freischärler alle 19 Geiseln freigelassen. "Das war eine große Überraschung für uns, weil wir dachten, jetzt bringen sie uns um", sagte der Lehrer. Die Geiselnehmer seien jedoch "halbwegs nette Kriminelle gewesen", die nur an Lösegeld interessiert gewesen seien. Es hätte keine Gewalt gegen die Geiseln gegeben.

So kamen gestern, nach der glücklichen Rückkehr der fünf befreiten Bundesbürger nach Berlin, doch einige Details ans Licht, was sich in den vergangenen zehn Tagen im Wüstensand zwischen Ägypten, Sudan und Tschad zugetragen hatte. Die Bundesregierung hielt sich bedeckt, doch auch andere der fünf italienischen und acht ägyptischen Ex-Geiseln äußerten sich freimütig.

Noch am Montag hatte es aus Kairo geheißen, die Entführten seien von sudanesischen und ägyptischen Soldaten befreit worden. Tatsächlich ließen die in die Enge getriebenen Kidnapper ihre Opfer am Sonntag ohne jegliches Blutvergießen laufen - das erklärten die Freigelassenen unisono.

Für diese Version spricht die Aussage der Bundesregierung, deutsche Spezialkräfte hätten zwar bereitgestanden, seien aber nicht gebraucht worden. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung soll Berlin zuvor eine "robuste Lösung" vorbereitet haben ("Operation Desert Fox"). Innerhalb von 36 Stunden wurden mit drei Sonderflügen der Lufthansa, sechs Transall der Bundeswehr und zwei Antonov-Frachtflugzeugen rund 150 schwer bewaffnete Einsatzkräfte der GSG 9 und des Bundespolizeiflugdienstes ins südägyptische Shark-al-Uweimat geflogen - dann aber nicht gebraucht. Offenbar sollte die enorme Präsenz der Sicherheitskräfte auch künftige Entführer abschrecken. Aus Gründen der "Generalprävention" habe man sich, berichtete das Blatt, bei der Ankunft der freigelassenen Geiseln in der deutschen Hauptstadt entschieden, alle Elite-Polizisten an der Maschine Aufstellung nehmen zu lassen.

Die Ex-Geisel Abdel Hakim berichtete indes, die Entführer hätten sich zur Freilassung entschlossen, nachdem einer einen Anruf bekommen habe. "Sie sagten den Ägyptern, sie sollten sich in einer Reihe aufstellen, und dann zogen sie ihre Waffen", sagte der 45-Jährige. "In dem Moment dachten wir, wir sind tot." Doch dann hätten sie in das Auto steigen und wegfahren dürfen. Die Gruppe habe alle Habseligkeiten und sogar das Ersatzrad zurückgelassen. Ein GPS-Gerät habe man jedoch gehabt und so die richtige Richtung geortet. Bei einem stillgelegten Flughafen im südwestlichen Ägypten sei man dann auf ägyptische Spezialeinheiten getroffen, sagte der Fahrer, der sich noch in einem Krankenhaus in Kairo befand.

Auch der 71-jährige Italiener Michele Barrera sagte nach seiner Rückkehr nach Alpignano in der Nähe von Turin: "Es war undramatisch. Sie riefen uns einfach zu: Lauft, lauft, lauft!" Dann habe man sich in das Auto gezwängt und sei stundenlang gefahren. "Es passierte alles ganz ruhig, und es gab keine Gewalt." Barrera sagte, die Geiselnehmer hätten sich respektvoll verhalten.