In der libyischen Hauptstadt Tripolis wurde die Nationalversammlung mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Lage bleibt angespannt.

Tripolis. Erstmals seit mehr als 40 Jahren bestimmt ein frei gewähltes Parlament die Geschicke Libyens. Rund ein Jahr nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al Gaddafi trat der Übergangsrat am Mittwochabend (Ortszeit) die Macht an die erste gewählte Nationalversammlung ab. Sie löste den Nationalen Übergangsrat ab, der das Land seit dem Sieg der Aufständischen über Gaddafi regiert hatte. Gaddafi war 1969 in einem unblutigen Putsch an die Macht gekommen.

In einer Rede räumte der Vorsitzende des Übergangsrats, Mustafa Abdul Dschalil, ein, dass es dem Gremium nicht gelungen sei, die Sicherheit im Land vollständig wiederherzustellen. Doch habe der Rat in „außergewöhnlichen Zeiten“ regiert. Anschließend löste Dschalil den Übergangsrat auf und übergab die Macht an die 200-köpfige Nationalversammlung.

Diese trat am Abend, dem Jahrestag der Befreiung der Hauptstadt Tripolis, unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zusammen. Während der offiziellen Zeremonie versammelten sich Hunderte Menschen auf dem Platz der Märtyrer. Sie hielten Kerzen als Symbol der Versöhnung.

Die Sicherheitslage bleibt fragil

Die Nationalversammlung muss innerhalb eines Tages einen Präsidenten bestimmen und innerhalb von 30 Tagen eine Regierung bilden. In dem Gremium gibt es drei große Blöcke: Islamisten, darunter die Muslimische Bruderschaft und ultrakonservative Salafisten, Liberale und Gemäßigte unter Führung von Mahmud Dschibril, der während des Aufstands Ministerpräsident war, sowie Unabhängige.

Nisar Kawan, ein den Muslimbrüdern nahestehender Unabhängiger, sagte, die Versammlung stehe vor großen Herausforderungen. Diese reichten von der Wiederherstellung der Sicherheit bis zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Ob die Nationalversammlung auch selbst eine Verfassunggebende Versammlung einberuft oder ob deren 60 Mitglieder direkt vom Volk gewählt werden, ist noch offen. Auch hat der Osten des Landes beanstandet, dass er weiterhin nicht ausreichend in der neuen Regierung – wie einst unter Gaddafi - repräsentiert ist.

Der Übergangsregierung ist es unter anderem nicht gelungen, die mächtigen Milizen zu einer nationalen Streitkraft zu vereinen. Stattdessen kommt es in verschiedenen Landesteilen immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Milizen und rivalisierenden Stämmen. Hinzu kommt, dass in dem Land noch immer zahlreiche Waffen aus dem Bürgerkrieg im Umlauf sind. (dapd)